Rezension über:

Rita Haub / Julius Oswald SJ (Hgg.): Franz Xaver - Patron der Missionen. Festschrift zum 450. Todestag (= Jesuitica. Quellen und Studien zu Geschichte, Kunst und Literatur der Gesellschaft Jesu im deutschsprachigen Raum; Bd. 4), Regensburg: Schnell & Steiner 2002, 378 S., 50 Farb-, 26 s/w-Abb., ISBN 978-3-7954-1252-4, EUR 34,90
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Rezension von:
Herbert Karner
Österreichische Akademie der Wissenschaften. Kommission für Kunstgeschichte
Redaktionelle Betreuung:
Hubertus Kohle
Empfohlene Zitierweise:
Herbert Karner: Rezension von: Rita Haub / Julius Oswald SJ (Hgg.): Franz Xaver - Patron der Missionen. Festschrift zum 450. Todestag, Regensburg: Schnell & Steiner 2002, in: sehepunkte 2 (2002), Nr. 11 [15.11.2002], URL: https://www.sehepunkte.de
/2002/11/3442.html


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Rita Haub / Julius Oswald SJ (Hgg.): Franz Xaver - Patron der Missionen

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Anlass, dem jesuitischen Heiligen Franz Xaver (1506-1552) eine stattliche Festschrift zu widmen, war dessen 450. Todesjahr. Als Herausgeber fungierten zwei Wissenschaftler, deren Namen jedem, der im deutschsprachigen Raum mit Jesuitenforschung zu tun hat, geläufig sind: Rita Haub, Leiterin des Archivs der oberdeutschen Ordensprovinz, und P. Julius Oswald SJ von der Hochschule für Philosophie der Jesuiten in München.

Francisco de Yasu y Xavier gilt als eine der tragenden Figuren der katholischen Missionsgeschichte. Den entscheidenden Anstoß für eine entsprechende Lebensplanung verdankt er einem gleichfalls baskischen Adeligen: Ignatius von Loyola. Dessen spiritueller Einfluss während des gemeinsamen Theologie-Studiums in Paris ließ ihn zu einem der Mitbegründer der Gesellschaft Jesu werden. Die Leistung, als deren erster Missionar zur wichtigsten Identitätsfigur aller künftigen Jesuitenmissionare zu werden, vollbrachte Franz Xaver in lediglich elf Jahren.

Sie sollten ausreichen, einen neuen, unverrückbaren Weg der Glaubensverbreitung zu gehen. Im März 1541 als päpstlicher Gesandter für den Fernen Osten in die westindische Inselstadt Goa aufgebrochen, durchkämmte er die ostasiatischen Kolonien Portugals mit enormem persönlichen Einsatz. 1549 folgte die Reise in das kurz davor entdeckte Japan; im Bewusstsein, dass dort nachhaltige christliche Einflussnahme nur über eine Bekehrung Chinas, dem die Kultur Japans eng verbunden war, möglich sein würde, unternahm er seine letzte Reise: Knapp vor deren Ziel, der Stadt Kanton, verstarb der Jesuit 46-jährig auf der Insel Sancian.

Noch heute steht der 1622, gleichzeitig mit Ignatius von Loyola Kanonisierte für eine neue, bahnbrechende Missionsmethode, die wesentlich auf "planmäßige Erforschung und Besetzung des Missionsfeldes" (Haub) abstellte.

Die 15 Beiträge des Bandes umkreisen unterschiedlich eng die Figur des Jesuitenheiligen. Es sind im Wesentlichen drei Aspekte, auf welche sie zugeschnitten sind: Die Biografie des baskischen Adeligen, seine eminente missionsgeschichtliche Bedeutung für die römisch-katholische Kirche, und schließlich die Verwertung seiner Person in Kunst und Literatur vornehmlich in Europa.

Eine starke Unterschiedlichkeit im Zugang zum Thema, aber auch in dessen wissenschaftlicher Aufbereitung ist eine der auffallenden Eigenschaften der Festschrift. Beiträgen, die dem Leser nicht allzu viel Vorwissen abverlangen, oder die einen auffallend beschreibenden Charakter besitzen, sind kleine und fein geschmiedete Untersuchungen angereiht, die präzisen Einblick in die Forschungsaktivitäten der jeweiligen Verfasser geben. Eine solche Mischung hat den wohl beabsichtigten Vorteil, einen über den engeren Bereich der Wissenschaft hinausreichenden Leserkreis anzusprechen.

Die Vita des Heiligen berichten einleitend Rita Haub und Julius Oswald SJ, zu Weg und Umständen seiner Reisen erzählt Claudia von Collani; über die Rezeption des Heiligen innerhalb der Gesellschaft Jesu geben Julia Lederle (zur Bedeutung Franz Xavers in den Briefen deutscher Jesuiten im 18. Jahrhundert) und Paul Begheyn SJ (Die Verehrung des Heiligen in der Missio Hollandica) Auskunft.

Ungenügen empfindet man in der Thematisierung der nicht hoch genug zu veranschlagenden missionsgeschichtlichen Relevanz des Jesuiten. Gerade das Phänomen der Inkulturation, eines der Schlüsselbegriffe für die Frühzeit des Ordens, dessen Entwicklung wesentlich auf Erkenntnissen und Bemühungen des Franz Xaver beruht, kommt merkwürdig kurz. Wohl spricht Angela Fischer-Brunkow "(inter)kulturelle Aspekte" der japanischen Mission an, beschränkt sich aber doch weitgehend auf die Wiedergabe von Motiven, Problemen und Strategien im Umgang mit der hoch entwickelten Kultur Japans, wie sie in den Briefen Franz Xavers überliefert sind. Aus dem Bereich der Kommunikationswissenschaften argumentiert Rafael Capurro, Jesuit aus Uruquay. Er analysiert Theorie und Praxis der Botschaft bei Franz Xaver vom Standpunkt der Angeletik, einer rezenten Theorie der Botschaft aus: "The message is the medium" (Mihai Nadin) ist - in Umdrehung des berühmten Satzes von Marshall McLuhan - der Ausgangspunkt.

Ausführlich werden in mehreren Beiträgen jene Möglichkeiten aufbereitet, welche die Figur des Heiligen für eine Interpretation auf ikonographischer Ebene für Kunst und Literatur des 17./ 18. Jahrhunderts geboten hat. So gibt die Kunsthistorikerin Maria Cristina Osswald eine Einführung in die Grundelemente der frühen xaverianischen Ikonographie, deren Entwicklung - in engstem Zusammenhang mit der Verehrung des Jesuiten - ja bereits lange vor dessen Heiligsprechung eingesetzt hatte. Bernd Paal SJ listet kenntnisreich Ausstattungsstücke der Münchener Sankt Michaelskirche auf, die mit Franz Xaver in Verbindung stehen. Erst Paal (und nicht Osswald) macht auch die Gründe deutlich, warum Franz Xaver in der Verehrung, und damit in der Ausbildung einer heiligenspezifischen Ikonographie, dem Ordensgründer Ignatius gleichgestellt ist.

Schade, dass Osswald es unterlassen hat, jene Entwicklung auch anhand von Beispielen konkreter Franz Xaver-Darstellungen darzulegen. Dies führt zu einem generell als Nachteil empfundenen Umstand: Die reiche Ausstattung des Bandes mit insgesamt 74 sehr guten, meist auch farbigen Abbildungen ist degradiert zu beliebig wirkendem Dekorationsmaterial, da sie in keinerlei Direktbezügen zu den einzelnen Texten steht. Schmerzhaft spürbar wird die fehlende Korrespondenz von Bild und Text auch im Beitrag der Wiener Theaterhistorikerin Margret Dietrich. Ihr Gegenstand, die Bild-Ausstattung der Franz Xaver-Kapelle bei Morschach und deren Bezug zu einer Theateraufführung des Ordens 1677 in Luzern, wird ohne eine einzige fotografische Aufnahme der Fresken und Altarbilder abgehandelt.

Spannend und einmal mehr seinen Hang zu ungewöhnlichen Themata dokumentierend diskutiert Joseph Imorde die Erhebung des Heiligen zum Stadtpatron von Luzern. Die mit ihr verbundene, etymologisch begründete Licht- und Leuchtmetaphorik verknüpft Imorde mit scheinbar leichter Hand mit jesuitischer Traktatliteratur. Gleichfalls kompetent und sicher referiert die Altphilologin Elisabeth Klecker aus ihrem Spezialgebiet ein neulateinisches Epos über die Missionsreisen des Heiligen, das der neapolitanische Jesuit Niccolo Partenio Giannettasio (1648-1715) verfasst hat. Den musikgeschichtlichen Aspekt der Franz Xaver-Verehrung beleuchtet Gerhard Poppe; ein wenig bekannter ikonographischer Aspekt wird schließlich von Armin Zürn besprochen, der Franz Xaver in die Tradition der Patrone der Sterbenden stellt. Auf ungewöhnliche Weise, weil nicht dem historischen Korsett verpflichtet und spirituelle Konkordanzen auslotend, wird die Festschrift von den Ausführungen des Hubert Hänggi SJ bereichert, der über Wallfahrten mit Hindus berichtet.

In Summe erlaubt die Festschrift - trotz mehrfach notwendiger, hier aus Platzgründen aber nicht einzubringender Detailkritik - eine gewinnbringende Lektüre. Dies liegt gerade auch in der Unterschiedlichkeit der Themenstellungen, der Behandlungsformen und der methodischen Grundlagen begründet. Der erzählende, mehr beschreibende als kritisch reflektierende Duktus des einen oder anderen Beitrags wird mehr als ausgeglichen durch das hohe analytische Niveau, mit dem andere der Autoren ihre Problemstellungen entfalten. In Summe ist es gelungen, der historischen Figur des heiligen Franz Xaver ein Profil zu geben, das den geisteswissenschaftlichen Trends unserer Zeit entspricht.


Herbert Karner