sehepunkte 4 (2004), Nr. 10

Der römische Princeps.
Zwischen Selbststilisierung, 'Propaganda' und 'Image-Vermittlung'

Einführung

Von Mischa Meier / Sabine Panzram / Christian Witschel

Der Kaiser war der unbestrittene Mittelpunkt des Imperium Romanum: Seine Taten und sein Verhalten standen im Zentrum der kaiserzeitlichen Geschichtsschreibung, überall im Reich befanden sich auf den Herrscher bezogene Darstellungen in Wort und Bild, zahlreiche Bauten wurden in seinem Namen errichtet, und schließlich wurde er vielerorts kultisch verehrt. Dieses Forum versammelt 17 Publikationen aus den Jahren 2000 bis 2003 zu einzelnen Aspekten dieser Omnipräsenz. Es gliedert sich in vier größere Blöcke: Bücher zu einzelnen Principes (I); allgemeine Arbeiten zur kaiserlichen Repräsentation und 'Propaganda' (II); Detailstudien zu den einzelnen Medien, in denen Kaiserbilder verbreitet wurden (III); und schließlich Untersuchungen zu Bauwerken, die von einzelnen Kaisern in den Städten des römischen Reiches gestiftet wurden (IV).

Die Geschichtsschreibung unterscheidet gemeinhin zwischen 'guten' und 'schlechten' römischen Kaisern. Was einen princeps bonus ausmachte, hatte das Auftreten des Augustus, des Begründers der neuen Herrschaftsform 'Principat', ein für allemal festgelegt, und nach einer oft turbulenten 'Experimentierphase' während des 1. Jahrhunderts n. Chr. wurden die hierfür gültigen Maßstäbe von Trajan, der gar als optimus princeps in die Geschichte einging, noch einmal eingeschärft. Diesen beiden Herrschern gilt darum je eine Rezension (zu Bringmann/Schäfer 2002 und Nünnerich-Asmus 2002); eine weitere fragt am Beispiel des Kaisers Philippus Arabs, wie sich das Kaisertum in dem Transformationsprozeß des 3. Jahrhunderts n. Chr. fortentwickelte (zu Körner 2002). Es gab jedoch auch Herrscher, die sich vom augusteischen Vorbild dezidiert absetzten, den Konsens mit der senatorischen Führungselite aufkündigten und für sich eine eigenständige Rolle zu finden versuchten. Ihre posthume Verdammung hat sie zu 'Wahnsinnigen' abgestempelt, aber die neuere Forschung hat verstärkt herausgearbeitet, dass man hinter ihren oft bizarr wirkenden Handlungen durchaus eine gewisse Methode erkennen kann, wie dies in zwei neuen Biographien des Caligula und des Nero vorgeführt wird (Winterling 2003; Champlin 2003).

Das Bild des allmächtigen Kaisers war bis in die letzten Winkel des römischen Reiches wahrnehmbar. Das läßt sich an einer Vielzahl von Quellen (s.u. III) erweisen. Weit weniger einfach ist die Frage zu klären, wer dieses Herrscherimage im einzelnen konzipiert hat, ob dahinter eine zentrale Planung stand und ob die Verbreitung von Kaiserdarstellungen im Reich einer wie auch immer gearteten Kontrolle unterlag. Nachdem man lange Zeit ein aus der Neuzeit entlehntes Modell von 'Propaganda' ohne weiteres auf die römische Zeit übertragen hat, sind in den letzten Jahren zunehmend Zweifel aufgekommen, ob dies zulässig ist. Zudem ist viel stärker in das Blickfeld gerückt worden, dass die Menschen im römischen Reich zwar einerseits Rezipienten kaiserlicher 'Botschaften' in Wort und Bild waren, sie diese aber andererseits vor Ort umzusetzen hatten, dabei auch eigene Vorstellungen von einem idealen Herrscher einfließen lassen konnten und so nicht unerheblich zu der Ausformung des Kaiserimages beitrugen. Man muß diesen - offenbar weitgehend spontan ablaufenden - 'Dialog' zwischen Herrscher und Untertanen zukünftig viel stärker im Auge behalten, wie die hier besprochenen Arbeiten (Weber/Zimmermann 2003; Ando 2000; Bowman et al. 2002) - trotz aller unterschiedlichen Akzentsetzung im Detail - deutlich zeigen.
Eine der wichtigsten Kommunikationsformen zwischen den provinzialen Eliten und dem fernen Herrscher war der Kaiserkult. Diesen hat man in den letzten Jahren durch eine Reihe innovativer Studien erheblich besser zu verstehen gelernt: Er war mit Sicherheit nicht nur eine primär politisch geprägte Form der Loyalitätsbekundung, sondern entsprang einem wesentlich tieferen - im antiken Sinne durchaus 'religiös' zu nennenden - Bedürfnis, der Allmacht des Kaisers in adäquaten Umgangsformen entgegenzutreten, gleichzeitig aber auch die Gestalt des Herrschers in die Rituale des alltäglichen Lebens einzubinden. Da dieser Kult fast keiner Steuerung oder Kontrolle von Rom aus unterlag, entwickelte er sich in zahllosen lokalen Varianten, die sich in einer Vielzahl von Festen, Prozessionen, Tempeln, Statuen usw. niederschlugen, wie der hier besprochene Sammelband aufzeigt (Cancik/Hitzl 2003).

Kaiserbilder traten in den verschiedensten Medien auf. Für unser Verständnis besonders wichtig, aber in ihrer antiken Ausstrahlung auf eine relativ kleine Elite beschränkt waren die literarischen Auseinandersetzungen mit dem Herrscher, in denen vornehmlich das Verhältnis der Aristokratie zum Princeps thematisiert wurde (Roller 2001). Inschriften, auf denen wichtige, das Kaiserhaus betreffende Beschlüsse aufgezeichnet waren, erreichten hingegen schon einen wesentlich weiteren Adressatenkreis. Das haben gerade die umfangreichen Dossiers der tiberischen Zeit, die allesamt auf Bronzetafeln in Südspanien entdeckt wurden, eindrucksvoll gezeigt (Rowe 2002). Die meisten Bewohner des Imperium Romanum dürften ihren Herrscher aber nicht primär über Texte, sondern durch bildliche Darstellungen wahrgenommen haben, unter denen den Münzbildern wegen ihrer massenhaften Verbreitung eine besondere Bedeutung zukam (Mani Hurter 2003). Auch diese Bilder waren jedoch keineswegs einheitlich, sondern reagierten auf unterschiedliche Erwartungshaltungen und stellten den Kaiser in verschiedenen Facetten dar: So vermittelten die vornehmlich am Hof zirkulierenden Prunkkameen (Meyer 2002) ein ganz anderes Kaiserimage als die öffentlich aufgestellten und zumeist vom Senat gestifteten 'Staatsdenkmäler'. An letzteren lässt sich zudem eine Entwicklung in der Außensicht des Principats festmachen: Als die Kaiser im späteren 3. Jahrhundert Rom verließen und andere Eliten an die Stelle des Senats traten, veränderte sich auch die in Bildern umgesetzte Wahrnehmung des Kaisers (Mayer 2002).

Der Kaiser war nicht nur oberster Magistrat, Feldherr und Priester des römischen Reiches, sondern auch dessen größter Wohltäter. Das manifestierte sich insbesondere in zahlreichen Bauprojekten, die die Herrscher in Rom und zahlreichen anderen Städten des Imperium initiierten. Einzelne Principes wie Hadrian taten sich dabei besonders hervor (Boatwright 2000). Erneut stellt sich aber die Frage, ob dies in irgendeiner Form planmäßig erfolgte, ob es also so etwas wie eine längerfristig angelegte kaiserliche 'Baupolitik' gab, die entscheidend dazu beigetragen haben könnte, die Stadtbilder im Sinne des Herrschers zu verändern und sie dadurch mit seinem Image zu 'besetzen'. Die Ergebnisse der hier besprochenen Arbeiten lassen erhebliche Zweifel an einer solchen Vorstellung aufkommen; sie zeigen vielmehr, welch komplexer Prozeß die städtebauliche Entwicklung in den einzelnen Regionen des Reiches war und in welchem Maße sich hieran nicht nur der Kaiser, sondern auch und vor allem die lokalen Eliten beteiligten (Horster 2001; Halfmann 2001).

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