Rezension über:

Peter Stewart: Statues in Roman Society. Representation and Response (= Oxford Studies in Ancient Culture and Representation), Oxford: Oxford University Press 2003, XVI + 333 S., 48 illus., ISBN 978-0-19-924094-4, GBP 65,00
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Rezension von:
Markus Sehlmeyer
Historisches Institut, Universität Rostock
Redaktionelle Betreuung:
Mischa Meier
Empfohlene Zitierweise:
Markus Sehlmeyer: Rezension von: Peter Stewart: Statues in Roman Society. Representation and Response, Oxford: Oxford University Press 2003, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 11 [15.11.2004], URL: https://www.sehepunkte.de
/2004/11/6432.html


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Peter Stewart: Statues in Roman Society

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Peter Stewart hat sich in seiner 1995-98 in Cambridge angefertigten und 2003 gedruckten Dissertation ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: die Bedeutung von Statuen in der römischen Gesellschaft zu analysieren. Es geht ihm dabei vor allem um die Reaktionen, die Römer den Statuen gegenüber zeigten. Weder die Art der Statuen noch der Zeitraum wird eingeschränkt.

Nach einer kurzen Einleitung (1-18) setzt er sich im 1. Kapitel mit der antiken Terminologie und der Abbildung von Statuen auseinander ("Defining Statues in Word and Image", 19-45). Er gibt den Forschungsstand sinngemäß wieder und kommt bei den Ambiguitäten zwischen Statue und Vorbild ("Illusionismus") sowie beim sprichwörtlichen Gebrauch auch zu neuen Erkenntnissen. Im 2. Kapitel über das Erscheinungsbild der Statuen (46-78) werden interessante Fragen gestellt. Wie konnte die Verwendung normierter Torsi mit individuellem Porträtkopf in Gebrauch kommen? Das Porträt einer Matrone, welches auf eine nackte Venus Pudica gesetzt wurde, dient als Beispiel. Primitive Statuen wie die Xoana werden an dieser Stelle ebenfalls behandelt. Es gebe auch keinen Erfinder der Statuenherstellung. Priapus sei durchweg in primitiver Art und Weise dargestellt; schon dadurch sei der ländliche Gott von den kultisch verehrten Göttern abgegrenzt.

Die Kapitel 3-5 betreffen Porträtstatuen. Zunächst werden Statuentypen und deren Verbreitung in der frühen Kaiserzeit behandelt, wobei hier eine sehr punktuelle Auswahl getroffen ist. [1] Kam der soziale Status für die Errichtung einer Statue nicht in Frage, zum Beispiel bei Freigelassenen, so konnte man doch eine Statue beispielsweise auf dem Grabrelief abbilden lassen. An dieser Stelle hätte noch auf die Analogie zu Ehrenstatuen auf Münzen hingewiesen werden können, beispielsweise auf den bekannten Wettstreit der Marcier und Aemilier. [2] Stewart gibt als Beispiel unter anderem Tiberius Octavius "Diadumenus" an, der auf seinem Grabrelief die gleichnamige Statue Polyklets verewigen ließ (Abbildung 15, 98). Das 4. Kapitel betrifft die Quantität der Statuen in Rom beziehungsweise Konsequenzen, die man daraus ziehen kann. Auch hier überwiegt die Sicht von den Statuen her, nicht von den Personen, die mit ihnen in Berührung kamen. Man könne teilweise von einer "overpulation" an Statuen sprechen. Im 5. Kapitel (157-83) versucht Stewart, Statuen in den Provinzen vergleichend zu Rom heranzuziehen. Direkte Kopien seien selten (Augustus-Fora in Pompeji, Arrezo, aber eben auch Mérida). Aphrodisias in Kleinasien, die Tarraconensis und Britannien dienen als weitere Beispiele.

Erst relativ spät, im 6. Kapitel ("Simulacra et signa", 184-222), kommt der Autor auf Münzen als Bildquelle der (Götter-)statuen zu sprechen. Auch Inschriften, Tonlampen und Wandgemälde werden herangezogen, um die Bedeutung der Götterbilder zu ergründen. Im 7. Kapitel (223-60) geht es um Statuen im privaten Bereich, wobei ihre Betrachtung als Kunstwerke und die Typologie im Hinblick auf die Skulpturenausstattung römischer Villen untersucht werden. Kapitel 8 ("Touching Statues", 261-99) behandelt hauptsächlich die damnatio memoriae und die Vernichtung von Götterbildern durch Christen. Dass Statuenzerstörung durchaus schon ein Phänomen der späten Republik ist, bleibt hier unbeachtet.

Stewart zieht am Ende (300-303) vier Schlussfolgerungen: Die Vielfalt der Abbildungen von Statuen zeige vor allem in den verschiedenen Kontexten die große Bedeutung der Statuen; es gab ein Konzept der Statue in Rom, was unter anderem an der differenzierten Begrifflichkeit sichtbar sei; die Statuen seien von allen Teilen der römischen Gesellschaft beachtet worden; moderne Studien hätten durch Konzentration auf Einzelaspekte die Gesamtsicht auf die Statuen behindert. Die ersten drei Punkte sind keineswegs so neu, wie der Autor behauptet. Die vierte Behauptung ist sogar recht gewagt, zumal Stewart selbst vielfach nur punktuell auf die Quellen eingeht und gerade das tut, was er anderen vorwirft: "The frequent specialization of modern works of scholarship prevents them from doing justice to the ancient evidence" (303).

Was Stewart hier vorgelegt hat, stellt so etwas wie eine 'Theorie' der Statuen in Rom dar. Der Zugang ist weniger sozialhistorisch - was man ja dem Buchtitel nach erwarten könnte -, sondern eher archäologisch beziehungsweise kunsthistorisch. Er zeigt extreme Skepsis den literarischen Quellen gegenüber, obwohl er deren mangelnde Beachtung beklagt und doch einige Studien gerade zu diesem Thema vorliegen, die Stewart auch bekannt sind. [3] Ebenso wird die Grundlagenforschung von Platner-Ashby, Richardson oder im "Lexikon Topographicum Urbis Romae" sehr pauschal abgetan. [4]

Stewarts Momentaufnahme suggeriert geringe Veränderungen von der Republik bis in die Spätantike, was meines Erachtens so nicht stimmen kann, da die Änderungen der Verfassung auch die Gesellschaft neu formierten und so ganz andere Bedingungen für Repräsentationskunst und andere Statuengattungen schufen. Stewart konzentriert sich de facto hauptsächlich auf die Kaiserzeit; der Ursprung der Ehrenstatuen wird als unergründlich dargestellt, obwohl andere sich dazu ausführlich geäußert haben. [5] Hier wäre Detaildiskussion nötig gewesen, sofern Stewart der vorliegenden Literatur nicht zustimmt. Auf die Spätantike kommt er nur ganz am Rande zu sprechen.

Alles in allem bietet das Buch viele interessante Thesen, die aber zum Teil noch durch breitere Einbeziehung der Quellen zu bestätigen wären. Einige essenzielle Bereiche bleiben unterbelichtet, so die Statuenorte und ihre Semiotik. [6] Statuen hatten eine kommunikative Rolle, über die auch schon andere nachgedacht haben. [7] In jedem Fall ist diese Dissertation ein eindrückliches Zeugnis dafür, dass die Statuen in Rom nicht geschwiegen haben.


Anmerkungen:

[1] Neben Thomas Pekáry: Das römische Kaiserbildnis, Berlin 1985, hätte in jedem Fall noch Johannes Bergemann: Römische Reiterstatuen, Mainz 1990, herangezogen werden müssen; die Dissertation von Dirk Erkelenz: Optimo praesidi. Untersuchungen zu den Ehrenmonumenten für Amtsträger der römischen Provinzen in Republik und Kaiserzeit (Diss. phil. Köln 2000/1), Bonn 2003, kam wohl zu spät.

[2] Helga Gesche: Die Reiterstatuen der Aemilier und Marcier, in: Jahrbuch für Numismatik und Geldgeschichte 18 (1968), 25-42; Markus Sehlmeyer: Stadtrömische Ehrenstatuen der republikanischen Zeit, Stuttgart 1999, 182-185.

[3] Für die Republik beispielsweise Tonio Hölschers grundlegender Aufsatz: Die Anfänge der römischen Repräsentationskunst, in: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom 85 (1978), 315-351, und die Dissertation des Rezensenten (s. Anm. 2).

[4] "For the museographer of ancient Rome, statues are often hard to pin down" (152).

[5] Vergleiche Anmerkung 3.

[6] Karl-Joachim Hölkeskamp: Exempla und mos maiorum. Überlegungen zum kollektiven Gedächtnis der Nobilität, in: Hans-Joachim Gehrke / Astrid Möller (Hg.): Vergangenheit und Lebenswelt. Soziale Kommunikation, Traditionsbildung und historisches Bewusstsein, Tübingen 1996, 301-338; jetzt ausführlicher: Uwe Walter: Memoria und res publica. Zur Geschichtskultur im republikanischen Rom, Frankfurt a.M. 2004, 84-154.

[7] Markus Sehlmeyer: Die kommunikative Leistung römischer Ehrenstatuen, in: Maximilian Braun / Andreas Haltenhoff / Fritz-Heiner Mutschler (Hg.): Moribus antiquis res stat Romana. Römische Werte und römische Literatur im 3. und 2. Jh. v. Chr., München / Leipzig 2000, 315-329.

Markus Sehlmeyer