Rezension über:

Elspeth R.M. Dusinberre: Aspects of Empire in Achaemenid Sardis, Cambridge: Cambridge University Press 2003, XV + 325 S., ISBN 978-0-521-81071-5, GBP 65,00
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Rezension von:
Hilmar Klinkott
Seminar für Alte Geschichte, Eberhard Karls Universität, Tübingen
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Hilmar Klinkott: Rezension von: Elspeth R.M. Dusinberre: Aspects of Empire in Achaemenid Sardis, Cambridge: Cambridge University Press 2003, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 12 [15.12.2004], URL: https://www.sehepunkte.de
/2004/12/6345.html


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Elspeth R.M. Dusinberre: Aspects of Empire in Achaemenid Sardis

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Elspeth R.M. Dusinberre hat eine vorrangig archäologische Studie zum achaimenidenzeitlichen Sardis als Verwaltungszentrum der lydischen Satrapie vorgelegt. Den dafür nötigen "Blick aus dem Osten" entwickelt sie in einem einleitenden historischen Abriss zur persischen Reichsbildung (1-5). Ausgehend von einem "reichseinheitlichen" Bild nähert sie sich über die Vorbilder der persischen Königsresidenzen den indigenen Traditionen und regionalen Besonderheiten (5-7). Unter dem Gesichtspunkt des politischen und kulturellen Austauschs bildet Lydien eine Kontaktregion zwischen anatolischen, achaimenidischen und griechischen Einflüssen.

Den Einleitungsteil (Kapitel 1-2, 1-45) beginnt sie mit der geografischen Einordnung der Stadt, indem sie für Sardis die konkreten lokalräumlichen Bedingungen (20-23) darstellt. Dusinberre folgt dabei wieder sowohl in der geophysikalischen Zuordnung als auch in der Beschreibung den wichtigsten Reichsstraßen der Perspektive aus dem Osten (13-20). Aus dieser 'Außensicht' extrapoliert sie einen historischen Überblick vom Lyderreich des Gyges bis zur makedonischen Satrapie Alexanders, der sich die 'Innensicht' zur Rolle der Stadt im politischen Geschehen des Perserreichs und der griechisch geprägten Ägäiswelt anschließt (34-45). Für beide Perspektiven ist die ausgewogene Berücksichtigung der orientalischen und griechischen Quellen besonders hilfreich.

Im archäologischen Hauptteil (Kapitel 3-9, 46-217) wendet sich Dusinberre zunächst den Befestigungsanlagen zu. Im System der gestaffelten Befestigungsringe sowie in der Bauweise der Lehmziegelmauern mit steinernem Kernfundament sieht Dusinberre orientalische Einflüsse. Leider erfolgen ihre Zuweisungen zu den verschiedenen Bauphasen ohne ausführliche Behandlung der ausschlaggebenden Kriterien, was besonders bei der Verbindung von "lydischen" und "achaimenidischen" Strukturen (53) auffällt: Unerklärt bleiben die genauen Unterschiede des Mauerwerks, die Charakterisierung der einzelnen Baustile und die Begründung ihrer zeitlichen Zuordnung, für die man eine vergleichende Analyse mit den Befunden der Nachbarregionen Karien, Lykien und Troas vermisst. Erst recht erschwert bei den Wohnbauten die Verwendung lokaler Materialien eine bauhistorische Einordnung. Mit "achaimenidisch" drückt Dusinberre ihre Datierung zwischen dem ausgehenden 6. und dem Ende des 4. Jahrhunderts vor Christus aus, wobei sie einen kulturellen, orientalischen Einfluss zu implizieren scheint, der freilich allein auf der politischen Zugehörigkeit basiert (59).

Für den kultischen Kontext verweist Dusinberre aufgrund der schlechten Beleglage explizit auf die Schwierigkeit, Ablauf und religiöse oder ethnische Zuweisungen der Kultpraxis zu rekonstruieren (59 f.). Am Altar der Artemis kann Dusinberre überzeugend die Mischung aus ostgriechischen und persischen Formen ("hybrid style") deutlich machen. Allein aufgrund der Stufen aber auf Einflüsse persischer Feueraltäre zu schließen, erst recht wenn man die näher liegenden Parallelen der phrygischen oder lykischen Grab- und Altarbauten berücksichtigt, scheint doch zu unsicher. Für den so genannten Kybele-Altar, der in achaimenidischer Zeit zu einem Feueraltar mit Löwenprotomen umgestaltet wurde, kann Dusinberre allerdings eine gewisse religiöse Dynamik und einen kulturellen Austausch im archäologischen Befund nachweisen (66-69).

Die Wasserversorgung der Stadt (69 f.), die Gartenanlagen des Satrapen (70-72), die Gestaltung der öffentlichen Platz- und der Residenzanlagen (72-75) stellt Dusinberre an den wenigen Funden und den ausführlicheren literarischen Nachrichten vor. Aus ihrer Synthese (75-77) wird die Bedeutung der Stadt als wichtige Verwaltungszentrale des Reiches mit der entsprechenden Prägung persischer Kultur deutlich.

Ein detaillierteres Bild liefert das Skulpturenmaterial, das Dusinberre zunächst in den Kontext der achaimenidischen Reichskunst einordnet (78-90). Leider untersucht sie dabei zu wenig den Anteil lydischer und ionischer Elemente, die das "Achaimenidische" selbst prägten. In Sardis wird die 'multikulturelle' Verschmelzung der ikonografischen Elemente besonders im Grabkontext (92-97) deutlich. Aus den einzelnen motivischen Versatzstücken verschiedener Kulturen hat sich ein lokaler Stil gebildet, der gerade bei Kybele-, Artemis- und anderen weiblichen Figurendarstellungen hervortritt. Allerdings berücksichtigt Dusinberre bei der gut bezeugten Wanderung des Kybelekultes aus dem Osten zu wenig die phrygischen Prägungen auf die Ikonografie des Götterbildes, sondern beschränkt sich bei der stilistischen Einordnung allein auf die kulturelle Vermischung und die achaimenidischen Einflüsse (vor allem 108-112). Sowohl der anatolische Kontext als auch Elemente des einheimischen Stils, der in Analogie zur anhaltenden Präsenz der lydischen Sprache (vergleiche 126 f.) zu erwarten wäre, sowie seine Einflüsse auf die griechische und achaimenidische Kunst kommen dabei zu kurz.

Ein besonderer Vorzug der Arbeit liegt in der Behandlung der lydischen Grab-, Kult- und Dedikationsinschriften aus Sardis (113-127), die Dusinberre im Katalogteil (Appendix 1-5, 218-284) in Übersetzung mit der zugehörigen Literatur ausführlich vorstellt. Ihr gelingt es, die Texte auszuwerten, ohne sie in Bezug auf ihren ethnischen, sozialen oder politischen Aussagewert überzustrapazieren. Während sie die Grabtexte, Siegel-, Keramik- und Dedikations-Inschriften (115-118) vor allem zu prosopografischen Studien nutzt, gewinnt sie aus den Droaphernes-, Mitradastas- und Mnesimachos-Inschriften konkrete Informationen über die persischen Verwaltung und das Zusammenleben der verschiedenen Ethnien und Kulte in der Stadt. Für Letzteres bieten die archäologischen Befunde aus den Grabkontexten (Kapitel 6) das ergiebigste Material. Leider bespricht Dusinberre weder die einzelnen Grabtypen in ihrer Anlage, noch zeigt sie Grundrisse, Größen- und Verteilungsverhältnisse im Lageplan. Ebenso fehlen fotografische Abbildungen im Katalogteil (239-263). Da die meisten Gräber bereits publiziert sind, diskutiert Dusinberre nicht die Datierungskriterien, sondern weist alle Anlagen mit Totenklinen der achaimenidischen Zeit zu (132). Probleme wie Nachbestattungen (allerdings 145 ff. beim Grabinventar behandelt!) oder Umarbeitungen werden hierbei nicht bedacht. Verständlich wird dieser Ansatz dadurch, dass Dusinberre die Gräber nicht selbst autopsieren konnte, sondern ihre soziohistorische und kulturelle Synthese allein aus den vorliegenden Bearbeitungen entwickelte. Obwohl die Parallelität zu gewissen achaimenidischen Gräbern in Persepolis und Naqs-i Rustam auffällt, müssten auch hier die Einflüsse der phrygischen, (urartäischen?) oder lykischen Grabkunst stärker berücksichtigt werden. Von einer direkten persischen Einflussnahme distanziert sich auch Dusinberre (136) und verweist allein auf die Veränderung der Bestattungspraktiken in der Zeit der achaimenidischen Herrschaft. Aus den Totenklinen erschließt sie einen Bezug zur orientalischen Bankettkultur und erörtert ihren Niederschlag im täglichen Leben in Sardis (136-138). Durch den "achaimenidischen" Blickwinkel blendet sie allerdings den Einfluss der griechischen Symposiumskultur vollständig aus.

Nicht zuletzt zeigen sich Einflüsse auch an direkten baulichen Entlehnungen, wie sie beim so genannten Pyramidengrab in Sardis als Imitation des Kyrosgrabes in Pasargadai offensichtlich scheinen (139-140). Auch hier berücksichtigt Dusinberre zu wenig, inwieweit das Kyrosgrab, das seinerseits eine Ausnahme innerhalb der achaimenidischen Grabanlagen darstellte, unter dem Einfluss von ionischen und lydischen Handwerkern stand, deren Beteiligung am Bau von Pasargadai gut bekannt ist. Dusinberre verweist freilich grundsätzlich auf die Mobilität der Werkstätten, die zuverlässige Rückschlüsse auf die Ethnizität des Grabherren unmöglich machen. Sie konstatiert daher zu Recht lediglich die kulturelle Beweglichkeit durch die verschiedenen indigenen und fremden Einflüsse sowie den symbolträchtigen Bedeutungsgehalt achaimenidischer Motivik für die Mentalität der Eigentümer. Künstlerischen Stil und Ikonografie interpretiert sie als Statusindikatoren für die Zugehörigkeit zu einer polyethnischen Elite (147-154), deren Bild Dusinberre aus den textlichen Quellen (154-156) und den Rollsiegeln aus Sardis entwickelt. Vor dem Hintergrund der persepolitanischen Siegelstile und Werkstätten (164-166) zeigen die sardischen Exemplare die Mechanismen der Verbindung persischer Reichskunst mit indigen, griechischen und mesopotamischen Elementen zu einer kulturell eigenen Ausprägung. Diese ist durch eine relativ freie Auswahl der glyptischen Stile beziehungsweise der Intensität ihrer Elemente gekennzeichnet (166-171). Nicht zuletzt bestätigt die Keramik das entworfene Bild. Der lydische Skyphos wird als Trinkgefäß in achaimenidischer Zeit von iranischen Formen verdrängt, die aus lokalem Ton hergestellten "achaimenidischen Töpfe / Schalen" dokumentieren nun die persischen Formeinflüsse in der lydisch-griechische Kunst und in der sardischen Keramikproduktion bis in die Mitte des 3. Jahrhunderts vor Christus (176-178, vergleiche 188 f.).

In einer ausführlichen Zusammenfassung stellt Dusinberre ihre Einzelergebnisse in den Kontext der achaimenidischen Reichsgeschichte sowie der politischen Entwicklung der Stadt Sardis. Vor allem hier wird deutlich, dass sie anhand der archäologischen Befunde überzeugend Akkulturationsprozesse aufzeigen kann, die in der Verwaltung, Religion und ideologischen Repräsentation verankert sind. In diesem Prozess fließen indigene, persische und griechische Elemente zusammen und bilden - obwohl sie partiell weiter sichtbar bleiben - einen neuen, eigenen Stil, der als "typisch sardisch" treffend die historische Situation der Stadt als kultureller Kontaktstelle wiederspiegelt (196-203). Schließlich versucht Dusinberre ihren Blickwinkel von den archäologischen Einzelbefunden auf die Verwaltungs- und Reichseinheit umzuwenden (203-217) und Sardis als Spiegel der politischen und wirtschaftlichen Situation auf lokaler Ebene und als Adressat des Kulturaustausches zu interpretieren. Eine ausführliche Bibliografie (285-314) und ein Index (315-325) zu zentralen Schlagworten, Personen- und Ortsnamen schließen die Arbeit ab.

Abschließend noch einige formale Anmerkungen: Die handgezeichneten Steinpläne sind von sehr guter grafischer Qualität, leider aber viel zu stark verkleinert, was besonders bei Detailverweisen (zum Beispiel 60) auf den städtischen Gesamtplan (Figur 4, 12) hinderlich ist. Wahrscheinlich kaum der Autorin anzulasten ist die schlechte Wiedergabe der Zeichnungen. Besonders ärgerlich sind Darstellungen (Abbildung 17), bei denen durch den Kopiervorgang der ansonsten sehr genaue Plan einen Grauschleier erhält, sodass Details, auf die Dusinberre (61) verweist, nicht mehr zu erkennen sind. Ebenso variieren die fotografischen Abbildungen in ihrer Qualität extrem. Während alle Abbildungen im Skulpturenteil beste Qualität besitzen, sind die Grabbeigaben unscharf und schlecht ausgeleuchtet (Abbildungen 54-57). Der Kontrast wird im Katalogteil zu den Siegeln bewusst: Die Fotografien der Objekte sind meist von guter Qualität - und wohl als Foto auch im Druck aufgenommen. Die zugehörigen Siegelbilder sind als gescannte Abbildungen fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Nicht zuletzt vermisst man bei Schmuck und Kleinkunst die Angabe eines Maßstabes (Figuren 53-58, 60).

Festzuhalten bleibt: Dusinberre hat eine ausgewogene Darstellung des achaimenidischen Sardis vorgelegt, die durch den "Blick aus dem Osten" die gelungene Einordnung der archäologischen Befunde in den politischen Kontext des persischen Großreichs bietet, ohne einheimische und lokale Ausprägungen zu vernachlässigen oder durch einen theorielastigen Ansatz in ein kulturimperialistisches Konzept zu zwängen. In beispielhaft vorsichtiger Weise benutzt sie die historische Überlieferung für die bewertende Einordnung der achaimenidisch geprägten Befunde, ohne aus Letzteren voreilige Rückschlüsse auf die administrativen, sozialen oder politischen Verhältnisse der Stadt zu ziehen. Unzweifelhaft ist es ihr gelungen, zu zeigen, wie sich achaimenidische Einflüsse in der lokalen Formensprache niedergeschlagen haben, ohne dass deshalb von einem achaimenidischen Kulturimperialismus als gezielter "Persianisierung" zu sprechen ist. In diesem Sinn ist ihre Arbeit eine wichtige Grundlage für die archäologische und althistorische Forschung der lydischen Verwaltungszentrale, die mit Blick auf die Siegel, Kleinfunde und lydischen Grabtexte einen gelungenen und unverzichtbaren Beitrag zur Achaimenidenforschung darstellt.

Hilmar Klinkott