Rezension über:

Werner Eck / Matthäus Heil (Hgg.): Senatores populi Romani. Realität und mediale Präsentation einer Führungsschicht. Kolloquium der Prosopographia Imperii Romani vom 11.-13. Juni 2004 (= HABES. Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien; Bd. 40), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2005, VIII + 329 S., ISBN 978-3-515-08684-4, EUR 50,00
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Rezension von:
Helmut Halfmann
Historisches Seminar, Universität Hamburg
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Helmut Halfmann: Rezension von: Werner Eck / Matthäus Heil (Hgg.): Senatores populi Romani. Realität und mediale Präsentation einer Führungsschicht. Kolloquium der Prosopographia Imperii Romani vom 11.-13. Juni 2004, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2005, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 1 [15.01.2006], URL: https://www.sehepunkte.de
/2006/01/8897.html


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Werner Eck / Matthäus Heil (Hgg.): Senatores populi Romani

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Der vorliegende Band enthält die Beiträge, die auf einem Kolloquium der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften im Rahmen des von ihr betreuten Forschungsunternehmens der Prosopographia Imperii Romani (PIR) im Juni 2004 vorgetragen worden sind. Die PIR erscheint seit 1933 in zweiter Auflage - mit langen Unterbrechungen, in jüngster Zeit aber zügig dem Ende entgegen schreitend - und ist als Hilfsmittel personenkundlicher Forschung der römischen Kaiserzeit für jeden Altertumswissenschaftler, der sich mit dieser Epoche beschäftigt, unverzichtbar. Ziel des Kolloquiums war es, auf der Basis der von der PIR präsentierten 'nackten' biografischen Daten und Belege "die Zusammenhänge von Realität und medialer Präsentation in der prosopografischen Forschung und die dadurch eröffneten zusätzlichen Erkenntnismöglichkeiten in möglichster Breite aufzuzeigen" (VI). Den methodischen Dreh- und Angelpunkt aller Beiträge bildet also die Frage nach den Absichten und der Wirkung der jeweiligen Informationen und Informationsträger auf ein Publikum, die "Präsentation der Führungsschicht und die [...] öffentliche soziale Kommunikation in einer Welt vor den modernen Massenmedien" (V f.). Damit demonstriert der Sammelband quer durch die Altertumswissenschaften die methodischen Fortschritte hinsichtlich einer weit ausdifferenzierten Präsentation des sozialen Alltags.

Werner Eck untersucht an der Textkomposition senatorischer Ehren- und Laufbahninschriften die sich je nach Zeitstellung verändernden Elemente der für die Öffentlichkeit bestimmten Informationen - vom bloßen Namen mit maximal einer weiteren Information zum Rang des Geehrten bis hin zum ausführlichen cursus honorum als einem Barometer von öffentlicher Stellung, von Rechten und Pflichten. Einer der interessantesten Beiträge des Bandes, von Henner v. Hesberg verfasst, ist der gesellschaftlichen und politischen Funktion der senatorischen Domizile in Rom gewidmet. Ausgehend von der Beobachtung, dass keine standesgemäße Fixierung eines architektonischen Haustypus oder eines Wohnhabitus existierte, enthüllt v. Hesberg die dessen ungeachtet herausragende Funktion des Hauses als Rahmen der politischen und sozialen Selbstdarstellung im Wandel von der Republik zur Kaiserzeit. Géza Alföldy lässt die über das ganze Imperium verstreuten Orte, an denen sich die Ehrendenkmäler der Reichsaristokratie finden, Revue passieren; sie waren jeweils bestimmt von der Gelegenheit, sich einem möglichst großen und interessierten Publikum - sei es in Rom, in der Heimat, an den Stätten ihres dienstlichen Wirkens und privater Wohltäterschaft - optimal präsentieren zu können. Dirk Erkelenz lenkt den Blick auf die mit der Dedikation von Ehrenmonumenten verknüpften Festivitäten: Reden, Spenden, Spiele. Die Figuren der Ara Pacis dienen Dietrich Boschung für den Nachweis, dass die Personendarstellungen keine Ausdifferenzierung von Rangunterschieden innerhalb des Senatorenstandes anstrebten, sondern einzig die sakrale Funktion des ordo in Gegenwart der kaiserlichen Familie betonen wollten. Brigitte Ruck recherchiert die Möglichkeit, sich als Senator der Kaiserzeit mit einer kolossalen Statue feiern zu lassen - das Überdimensionale wurde wie in der Architektur dem Kaiser überlassen und allenfalls im privaten Bereich zur Schau gestellt. Francisca Feraudi-Gruénais reflektiert über Größe und Ausstattung senatorischer Grabmonumente in Rom und bietet eine nützliche Auflistung aller bekannten archäologisch-epigrafischen Belege. Den längsten Beitrag des Bandes widmet Marie-Thérèse Raepsaet-Charlier den Möglichkeiten öffentlich-politischer Aktivität von weiblichen Mitgliedern des ordo senatorius und equester; sie bietet ein eindrucksvolles Panorama von Verantwortung, Initiative und Handeln von Frauen in einer für das Publikum sichtbaren und erfahrbaren Weise. Die klassische Philologie vertritt Ruurd R. Nauta mit einem Beitrag zu Martials Darstellungsart seiner senatorischen Gönner und Freunde. Olli Salomies untersucht die Kunst der Rhetorik als förderndes Element senatorischer Ämterlaufbahnen, einen Aspekt, den Christopher C. Jones am Beispiel der aus dem griechischen Osten stammenden Senatoren vertieft. Zu Recht betont Jones, dass 'Bildung' allenfalls ein zusätzliches Element, nie das entscheidende neben den wichtigeren Faktoren Herkunft, Reichtum, Patronage und praktischen Fähigkeiten für eine erfolgreiche Karriere lieferte. John Scheid definiert noch einmal die Grundsätze römischer Religionsauffassung im Spiegel der senatorischen Priesterfunktionen und relativiert hinsichtlich Umfang und Intensität das individuelle Bedürfnis nach Religion im heutigen, christlichen Sinn. Der bildlichen Darstellung der Priesterschaften, namentlich einer gesonderten Hervorhebung ihrer Binnendifferenzierung, möchte Jörg Rüpke eine eher marginale Bedeutung beimessen, da sie mit anderen Möglichkeiten priesterlicher Selbstdarstellung konkurrieren musste. Den 'Verlierern' widmet Matthäus Heil den letzten Beitrag: Die Fälle, in denen ein Senator oder seine Nachkommen den einmal erworbenen Status oder gar den Senatorenrang selbst nicht mehr halten konnten, entziehen sich naturgemäß einer medialen Selbstdarstellung; sie sind lediglich aus direkten literarischen Zeugnissen rekonstruierbar, während das Vokabular der Selbstzeugnisse bestenfalls ein Lesen zwischen den Zeilen erlaubt und eine "Abstiegsgeschichte" lediglich vermuten lässt.

Dass die Beiträge thematisch ausgerichteter Sammelbände wie des vorliegenden eine unterschiedliche Intensität, Novität und Nähe zum Leitthema aufweisen, lässt sich gar nicht vermeiden; in diesem Falle zählt des Gesamtergebnis, und dies unterstreicht auf eindrucksvolle Weise, wie das für sich genommen spröde Informationsmaterial der PIR mit Können und ein wenig Fantasie für die Erhellung eines Stückes Alltag der römischen Führungsschicht, für ihre Bedürfnisse, Wertevorstellungen und Selbstsicht in der sie umgebenden Gesellschaft, farbig und facettenreich nutzbar gemacht werden kann.

Helmut Halfmann