Rezension über:

Hartwin Brandt: Konstantin der Große. Der erste christliche Kaiser, München: C.H.Beck 2006, 208 S., 19 Abb. und Karten, ISBN 978-3-406-54058-5, EUR 19,90
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Rezension von:
Katharina Sundermann
Historisches Institut, Universität Bern
Redaktionelle Betreuung:
Mischa Meier
Empfohlene Zitierweise:
Katharina Sundermann: Rezension von: Hartwin Brandt: Konstantin der Große. Der erste christliche Kaiser, München: C.H.Beck 2006, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 6 [15.06.2006], URL: https://www.sehepunkte.de
/2006/06/10525.html


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Hartwin Brandt: Konstantin der Große

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Nur wenige antike Herrscher haben in der Forschung so viel Beachtung gefunden wie der erste christliche Kaiser des Römischen Reiches, Konstantin der Große (306-337). Während seiner mehr als dreißigjährigen Herrschaft sollte er nicht nur die Stabilität des Imperiums gewährleisten; vielmehr verhalf er auch dem in der Vergangenheit immer wieder verfolgten Christentum zu seinem Durchbruch. So lässt sich nach dem sagenumwobenen Sieg Konstantins an der Milvischen Brücke über Maxentius im Jahr 312 eine rasch ausbreitende Christianisierung in weiten Teilen des Römischen Reiches verfolgen, die von jeher die Forschung zu Diskussionen über eine 'Konstantinische Wende' und damit über die Voraussetzungen und Umstände dieses Prozesses sowie über die Person Konstantins anregte.

Auch der Althistoriker Hartwin Brandt hat es sich zur Aufgabe gemacht, den ersten christlichen Kaiser in einer kurzen Biografie (208 Seiten, inkl. eines umfangreichen Anhangs) aus dem Kontext seiner Zeit heraus genauer zu beleuchten. In sechs Kapiteln lässt der Autor den Leser am Leben Konstantins und dessen Beurteilung durch die Nachwelt teilhaben. Bevor sich jedoch Brandt seinem Protagonisten zuwendet, nutzt er das erste Kapitel ("Mythos und Geschichte", 11-23) dazu, in Anlehnung an Christian Meiers Caesar-Biografie die Frage zu diskutieren, ob ein moderner Historiker das Leben Konstantins überhaupt erzählen könne. Hierbei ist zu fragen, ob der etwas hinkende Vergleich mit Caesar für die intendierte Aussage Brandts wirklich nötig ist - geht es ihm doch nicht darum, jene beiden antiken Persönlichkeiten miteinander zu vergleichen. Vielmehr will er in Anlehnung an Meier verdeutlichen, dass jedes biografische Erzählen nicht nur eines "theoretischen Rahmen[s]" sondern auch "aussagefähiger Quellen" bedarf (15). Der Autor nutzt die Gelegenheit, nachdrücklich auf jene Voraussetzungen hinzuweisen, die eigentlich die Grundlage jeder reflektierten historischen Arbeit bilden sollten: die Berücksichtigung der "kontinuierliche[n], kausale[n] Wechselbeziehung" der Akteure und ihrer "Verankerung im großen Ganzen" sowie ein sorgfältiger und kritischer Umgang mit den Quellen (15, 27). Neben einigen Klarstellungen zur Quellenlage und den zeithistorischen Bedingungen, wobei insbesondere der "Omnipräsenz des Religiösen" (17-23) zentrale Bedeutung beigemessen wird, beschreibt Brandt Konstantin bereits hier vor allem als Geschöpf seiner Zeit, dessen Handeln aus dem religiösen Kontext jener Zeit heraus erklärt werden müsse (22).

Die eigentliche Biografie setzt mit dem zweiten Kapitel ("Kaisersohn und Usurpator", 28-41) ein. Brandt wählt das Jahr 306 zum Ausgangspunkt, von dem an Konstantin als Caesar die Geschicke des Reiches (mit-)bestimmen sollte. Im Folgenden sieht er in Konstantin vor allem den pragmatisch agierenden Princeps: Nachdem er als Usurpator 306 seinen Herrschaftsanspruch kundgetan hatte und schließlich - um die tetrarchische Ordnung zu wahren - als Caesar anerkannt worden war, gelang es Konstantin im Zuge der krisenhaften Zuspitzung der Viererherrschaft, die Augustuswürde zu erlangen und nach dem Ende der Tetrarchie 310 sukzessive seine Alleinherrschaft gegen die verbleibenden Konkurrenten durchzusetzen. Dabei schreckte er auch nicht davor zurück, Mitglieder der eigenen Familie, wie seinen Sohn Crispus und seine Ehefrau Fausta, zu beseitigen (Kap. V, 119).

Auch in religiöser Hinsicht sieht Brandt vor allem den pragmatisch agierenden Kaiser: Noch im Jahr 311, so die Antwort des Autors auf die in der Forschung nur allzu oft diskutierte Frage, ab wann Konstantin wirklich Christ war, habe der Kaiser "keinerlei persönliche Nähe zum Christentum" erkennen lassen und sich auch in seiner "inneren Haltung bestenfalls auf dem Wege zum Christentum befunden" (40 f.). Weniger die Eingebung des Christengottes als vielmehr "realpolitische[n] Pragmatismus", gekoppelt mit durchdachten militärstrategischen Überlegungen, schreibt Brandt Konstantin auch dann zu, wenn er sich im dritten Kapitel ("Herbstzeit: Die 'Konstantinische Wende'", 42-67) dem Jahr 312 und der Schlacht an der Milvischen Brücke zuwendet (43, 61). Anhand der Quellen und in Auseinandersetzung mit der Forschung legt Brandt plausibel dar, dass man nicht sogleich nach dem Sieg über Maxentius eindeutig von dem christlichen Kaiser Konstantin sprechen könne. Weiterhin habe dem kaiserlichen Handeln eine - aus machtpolitischen Erwägungen heraus wohl kalkulierte (?) - religiöse Offenheit zu Grunde gelegen (61). In der überaus christlichen Darstellung der Quellen, inklusive der angeblichen christlichen Vision vor der Schlacht, müsse hingegen eine Zuschreibung ex post gesehen werden, durch die spätantike christliche Autoren versucht hätten, einen von Beginn an genuin christlichen Kaiser zu statuieren. An der so genannten 'Konstantinischen Wende' hält Brandt dennoch mit Nachdruck fest und datiert diese aufgrund vermehrter Kirchenbauten und eines Briefes des Kaisers, in dem sich jener selbst als Christ bezeichnete, in den Herbst des Jahres 312 (59).

Ausgehend von der Deutung der 'Konstantinischen Wende' als "stimmiges Resultat persönlicher religiöser Neigungen und politischer Überlegungen" (69) beleuchtet Brandt im vierten Kapitel ("Christianisierung und Monarchisierung: 312-324", 68-107) Konstantins Weg zur Alleinherrschaft bis hin zu dessen Nachfolgeregelung. Auch hier betont der Autor, dass es Konstantin mit durchdachtem machtpolitischen Pragmatismus gelungen sei, seine Herrschaft zu sichern, das Christentum - wenn auch zunächst als 'Light-Version' - behutsam zu etablieren, ohne dabei die mehrheitlich heidnische Bevölkerung zu verstimmen und schließlich auch in innerkirchlichen Auseinandersetzungen Fuß zu fassen.

Eine zweckrationale Politik bescheinigt Brandt dem Kaiser auch im fünften Kapitel ("Christlicher Monarch und Weltherrscher: 324-337", 108-155), in dem sich der Biograf der Alleinherrschaft Konstantins zuwendet: Eine weitgehende Berücksichtigung christlicher wie auch heidnischer Bedürfnissen habe Konstantin erlaubt, nicht nur die Christianisierung voranzutreiben, sondern auch seine Herrschaft zu sichern - dieses habe sich insbesondere auch in der neuen Kaiserresidenz Konstantinopel gezeigt, in deren Ausgestaltung sich sowohl pagane als auch christliche Elemente finden ließen (142, 154).

Im sechsten Kapitel ("Ende und Erinnerung", 156-172) widmet sich Brandt abschließend dem Ende Konstantins und der Rezeption dieses Kaisers. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der christlichen Historiografie, die den Kaiser und sein Reich kurz vor seinem Ableben in einem unmissverständlich orthodox-christlichen Licht erscheinen lassen wollte. Wie sehr jedoch weiterhin christliche und heidnische Traditionen ineinander spielten, sollte sich schließlich auch nach dem Tod Konstantins zeigen: Auch der erste christliche Kaiser wurde konsekriert und als 'christusgleich' nach paganem Brauch als Gott verehrt.

Hartwin Brandt hat eine kurze, angenehm sachlich geschriebene Biografie vorgelegt, die dem interessierten Laien wie auch dem althistorisch beflissenen Leser etwas zu bieten hat. Die der Kürze des Buches geschuldete knappe Darstellung von Forschungsdiskussionen kann allerdings oft nur stark geraffte Einblicke bieten, was dazu führt, dass sie besonders für Laien zuweilen schwer nachvollziehbar sind. Ein ausführlicher Anhang. u. a. mit einer Zeittafel und einem Stemma der konstantinischen Dynastie. rundet die insgesamt gelungene Biografie ab.

Katharina Sundermann