Rezension über:

Yann Le Bohec: Histoire de l'Afrique romaine, 146 avant J.-C. - 439 après J-C. (= Antiquité / Synthèses; 9), Paris: Picard 2005, 282 S., ISBN 978-2-7084-0751-0, EUR 32,00
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Rezension von:
Julia Hoffmann-Salz
Institut für Altertumskunde, Universität zu Köln
Redaktionelle Betreuung:
Mischa Meier
Empfohlene Zitierweise:
Julia Hoffmann-Salz: Rezension von: Yann Le Bohec: Histoire de l'Afrique romaine, 146 avant J.-C. - 439 après J-C., Paris: Picard 2005, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 10 [15.10.2006], URL: https://www.sehepunkte.de
/2006/10/10301.html


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Yann Le Bohec: Histoire de l'Afrique romaine, 146 avant J.-C. - 439 après J-C.

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Die spezifische Struktur des Studiums in Frankreich mit zentral festgelegten Themenbereichen für die Abschlussprüfungen bringt es mit sich, dass sich hier eine lange Tradition von Handbüchern etabliert hat, die nicht nur Zusammenfassungen der Ereignis- und Strukturgeschichte, sondern auch Einführungen in Forschungsgeschichte und Quellenlage bieten. In diesem Zusammenhang entstand schon im Jahr 2000 eine Geschichte des römischen Nordafrika vom Untergang Karthagos bis zur arabischen Eroberung durch Christophe Hugoniot. [1] Der gleiche Autor kooperierte mit Claude Briand-Ponsart für einen weiteren Band über das römische Nordafrika aus dem Jahr 2005. [2] Das römische Nordafrika wird in Frankreich jedoch nicht nur als Thema für examensrelevante Handbücher, sondern auch aufgrund der historischen Verbundenheit der beiden Kulturräume vor allem als Interessensraum für zahlreiche Forschungsprojekte wahrgenommen.

Vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, dass auch die neueste Zusammenstellung der römischen Geschichte Nordafrikas aus Frankreich kommt. Yann Le Bohec liefert dabei mit seinem neuesten Werk "Histoire de l'Afrique Romaine" einen umfassenden Einblick in Geschichte und Entwicklung Nordafrikas von der Zerstörung Karthagos bis zur arabischen Eroberung.

Für ein französisches Werk überraschend findet man das detailliert gegliederte Inhaltsverzeichnis am Anfang des Buches. Ihm folgt nach einer kurzen Einleitung und einer Einführung in die geografischen und siedlungsgeschichtlichen Bedingungen der Untersuchungsregion ein ausführlicher Teil mit Karten und Abbildungen, die einen exzellenten Einblick in alle illustrationswürdigen Fragen des Buches geben. So finden sich hier nicht nur Karten mit den verschiedenen Grenzverläufen der entstehenden Provinzen, sondern auch Pläne bedeutender Städte, Fotos deren wichtigster Bauwerke, Karten und Zeichnungen zur Wirtschaftsgeschichte, zur Armee in Nordafrika, der Grenzverteidigung, der Ausbreitung des Christentums und vieles mehr. Hier hätten allerdings thematische Überschriften und eine auch im Layout erkennbare Gliederung die Benutzerfreundlichkeit des umfangreichen und sehr nützlichen Materials erhöht. Die hervorragende Bildqualität des Abbildungsteils wird viele Nutzer jedoch darüber hinwegtrösten.

Inhaltlich gliedert Le Bohec sein Werk streng chronologisch. Auf die "Préalables" zur Geografie inklusive einer kurzen Liste der wichtigsten geografischen Begriffe und ihrer arabischen Entsprechung folgt "Prologue. La conquête". Dieser Prolog berichtet in extrem kurzer Form über die Vorgeschichte zur römischen Eroberung im 3. Punischen Krieg. Hier stellt sich grundsätzlich die Frage, wo man bei der Beschreibung des römischen Nordafrika, wie im Übrigen auch bei jeder anderen Provinz, beginnen möchte und welchen Raum man der vorrömischen Geschichte der zu besprechenden Region einräumen möchte. Dass Le Bohec hier einen äußerst summarischen Ansatz wählt, ist bei der in seinem Buch zu bearbeitenden Zeitspanne sicher legitim. Es erschwert dem ohne großes Vorwissen einsteigenden Leser jedoch möglicherweise die Einordnung der Eroberung Nordafrikas in den historischen Gesamtzusammenhang.

Mit dem ersten Kapitel steigt Le Bohec dann in die Zeit der römischen Republik ein und beschreibt ausführlicher die verschiedenen meist innerrömischen Auseinandersetzungen, deren Schauplatz die bislang eroberten römischen Gebiete in Nordafrika wurden. Gleich zu Anfang des Kapitels verweist er dabei auf die Aussage des großen Theodor Mommsen, die römische Republik hätte in Nordafrika lediglich den Leichnam Karthagos bewacht. Im Rückgriff auf die in der Einleitung dargelegte Forschungslage kann Le Bohec dazu konstatieren: "Les travaux les plus récents ont totalement infirmé cette assertion." Hierbei hätten vor allem die Bewohner der Region einen unerlässlichen Beitrag zu dessen prosperierender Entwicklung geliefert (29). Es ist die Begeisterung für die Zivilisation des alten Rom und des römischen Nordafrika, die immer wieder in Le Bohecs Argumentation durchscheint und die er ganz augenscheinlich seinem Leser mit dem vorliegenden Werk näher bringen will.

Die folgenden fünf Kapitel (II bis VI) widmen sich dann der Kaiserzeit. Das erste dieser Kapitel liefert wieder eine chronologische Erzählung der Geschichte der Region von Augustus bis zur 'Krise' des 3. Jahrhunderts. Es folgt ein Kapitel zu "La présence de l'état". Hier wird sowohl die römische Provinzverwaltung im Allgemeinen wie spezifisch in Nordafrika beleuchtet. Dazu wird auch die Liste der kaiserzeitlichen Statthalter der nordafrikanischen Provinzen gereicht, was ein weiteres Merkmal für den ganz auf die Benutzbarkeit ausgerichteten Stil des gesamten Buches ist. Der zweite Teil des Kapitels wendet sich dann der römischen Armee in Nordafrika zu, deren Organisation, Stärke und Stationierungsorte erläutert werden. Das folgende Kapitel zu "Les bâtiments et les hommes" beschreibt die verschiedenen Siedlungsformen sowie Rechtsstellungen von Gemeinden und Personen. Ein fast zweiseitiger Appendix stellt dazu Monografien zu den wichtigsten Städten des römischen Nordafrika zusammen. In Kapitel V wendet sich Le Bohec der kaiserzeitlichen Wirtschaft in Nordafrika zu. Hier untersucht er zunächst die Grundlagen der antiken Wirtschaft im Allgemeinen wie den Grad der Monetarisierung, die Frage der Konjunktur und auch die Demografie. Ein zweiter Teil widmet sich der Landwirtschaft, die auch in Nordafrika trotz der klimatischen Besonderheit den wichtigsten Wirtschaftszweig stellte. Gerade auf die Überwindung der klimatischen Nachteile geht er in dem Abschnitt "Les raisons d'un miracle" ein. Dabei betont er vor allem die Rolle der Karthager, die nicht nur auf dem Meer und damit im Handel, sondern auch auf dem Land und dessen Bewirtschaftung meisterliche Leistungen vollbrachten. Schließlich betrachtet das Kapitel "La société, les cultures, les religions" den Gesellschaftsaufbau, die unterschiedlichen kulturellen Einflüsse sowie die verschiedenen religiösen Gruppen und Gemeinschaften im kaiserzeitlichen Nordafrika.

Auf die hohe Kaiserzeit folgen drei Kapitel zur Spätantike (VII - IX). Auch dies beginnt mit einer chronologischen Einführung, die von Diokletian bis Theodosius und den Auseinandersetzungen mit den Donatisten reicht. Das folgende Kapitel widmet sich summarisch der kaiserlichen Verwaltung und dem Leben der Städte in dieser Zeit. Es folgt eine ebenfalls geraffte Betrachtung von Wirtschaft, Gesellschaft, Zivilisation und Religion in Kapitel IX. Darauf folgt "Épilogue: la conquête", der sich mit der Beschreibung der arabischen Eroberung schön an die Schilderung der römischen Eroberung zu Anfang des Buches anschließt. Das Buch endet mit einem kurzen Schlusswort, dessen einleitender Satz wieder auf die Auseinandersetzung mit der Mommsen'schen Bemerkung hinweist: "Au terme de ce voyage, il apparaît bien qu'il est impossible d'étudier l'empire romain (empire au sens de territoire et pas de régime) sans connaître l'Afrique."

Allen Kapiteln einschließlich der geografischen Einführung sind thematisch gegliederte bibliografische Angaben beigegeben, die es dem geneigten Leser ersparen, ein umfangreiches Literaturverzeichnis auf der Suche nach Werken zu einem bestimmten Thema zu durchforsten. Für weniger spezifisch Suchende sind im Anhang des Buches die wichtigsten Quellen sowie allgemeine Überblicksdarstellungen in einem Verzeichnis zusammengetragen. Extrem hilfreich ist der Anhang zu den Toponymen. In einer ersten Liste werden die antiken Namen den modernen gegenüber gestellt, die zweite Liste liefert die umgekehrte Information. Abschließend verfügt das Buch außerdem über einen leidlich umfangreichen Registerteil, in dem nach Personen- und Ortsnamen sowie Sachbegriffen gesucht werden kann.

So sind es vor allem diese nützlichen 'Kleinigkeiten', die das vorliegende Werk zu einem hilfreichen und sinnvollen Begleiter beim Studium der Geschichte des römischen Nordafrika machen. Der erzählende Stil des Autors sorgt darüber hinaus für eine angenehme Leseerfahrung, die auch jemandem, der des Französischen nicht fließend mächtig ist, zumutbar ist.


Anmerkungen:

[1] Christophe Hugoniot: Rome en Afrique. De la chute de Carthage aux débuts de la conquête arabe, Paris, 2000.

[2] Claude Briand-Ponsart / Christophe Hugoniot: L'Afrique romaine: De l'Atlantique à la Tripolitaine 146 av. J.-C. - 533 ap. J.-C., Paris 2005.

Julia Hoffmann-Salz