Rezension über:

Franziska Dunkel: Reparieren und Repräsentieren. Die Münchner Hofbauintendanz 1804-1886 (= Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte; Bd. 152), München: C.H.Beck 2007, XXXII + 397 S., ISBN 978-3-406-10748-1, EUR 32,00
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Rezension von:
Christof Baier
Kunstgeschichtliches Seminar, Humboldt-Universität zu Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Nils Freytag
Empfohlene Zitierweise:
Christof Baier: Rezension von: Franziska Dunkel: Reparieren und Repräsentieren. Die Münchner Hofbauintendanz 1804-1886, München: C.H.Beck 2007, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 9 [15.09.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/09/12451.html


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Franziska Dunkel: Reparieren und Repräsentieren

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Die umfassende Studie von Franziska Dunkel, eine im Wintersemester 2003/2004 an der Universität München angenommene Dissertation, ist einem noch immer vernachlässigten Forschungsfeld gewidmet - der Bauverwaltung, genauer gesagt, dem Bayrischen Hofbauwesen des 19. Jahrhunderts. Das langsam auch im deutschsprachigen Raum Fuß fassende generelle Interesse an der Verwaltungs- und Behördengeschichte des Bauens hat sich seit den 1990er-Jahren im Rahmen mehrerer Disziplinen zu einem eigenständigen Forschungsfeld entwickelt. [1] Im Rahmen dieses erfreulichen Fortschritts lässt sich auch in der kunstgeschichtlichen Forschung, vor allem in Monografien über Baumeister und Architekten des 18. und 19. Jahrhunderts, ein wachsendes Interesse am behördlichen Arbeitsumfeld des jeweiligen Titelhelden feststellen. In diesem Kontext ist die Arbeit als wichtiger Beitrag zur Entwicklung der Bauverwaltung in Deutschland im 19. Jahrhundert sowie zu den beruflichen Perspektiven und den Handlungsspielräumen der "verwaltenden" Architekten anzusehen. Auch im engeren Umkreis des Untersuchungsgegenstands ist es in den letzten Jahrzehnten üblich geworden, bei der Darstellung von Leben und Werk wichtiger in Bayern tätiger Architekten gegebenenfalls den baubehördlichen Arbeitsalltag mit zu beachten. [2] Ohne Zweifel leistet das Buch auch bezüglich des Münchener Hofbauwesens und der in dessen Umfeld agierenden Architekten Grundlagenarbeit. Schließlich bereichert die Arbeit auf grundsätzlicherer Ebene das Bild von der Art und Weise, wie sich im Übergang von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft der bürokratische Staat auf neuer Grundlage etablierte.

Das erste Hauptkapitel enthält zunächst eine Übersicht über die Geschichte der Hofbauinstanz von ihrer Gründung 1804 bis zu ihrer Auflösung 1886. Neben wechselnden Organisationsformen des Hofbauwesens und wichtigen Instruktionen werden hier die Kompetenzen und Zuständigkeiten der Hofbauintendanz vorgestellt. Es folgt eine ausführliche Darstellung der übergreifenden Organisationsstruktur der bayrischen Bauverwaltung. Das zweite Hauptkapitel ist den Aufgaben der Hofbauinstanz, dem "Reparieren und Repräsentieren" gewidmet. Nach einer allgemeinen Übersicht über die zu betreuenden Gebäude und Gebäudekomplexe in und um München folgen Tiefenanalysen zum "Unterhalt der Gebäude" und zur "baulichen Repräsentation der Monarchie". Kürzere Abschnitte beleuchten den Umgang mit historischen Baudenkmälern und die Dekoration höfischer Feste, während die Neubauprojekte unter den einzelnen Hofbauintendanten (Andreas Gärtner, Leo von Klenze, Eduard Riedel, Karl Mühlthaler) ausführlich vorgestellt werden. Hier wird eine Vielzahl von neuen Fakten aus den Archivalien gewonnen, wobei das Interesse nicht den Gebäuden selbst gilt, sondern der behördlichen Prägung ihrer Entstehungsgeschichte.

Anschließend wird im dritten Hauptkapitel das Personal der Hofbauinstanz akribisch unter die Lupe genommen. Die Ausbildungsgänge und Anstellungsvoraussetzungen der Mitarbeiter werden hier ebenso ausführlich beschrieben wie deren Karrieren im Staatsdienst. Dabei entfaltet sich vor dem Leser ein faszinierendes Panorama der Lebensumstände der Architekten und der allmählichen Professionalisierung des Architektenberufs im 19. Jahrhundert. Die sich anschließende separate Untersuchung des spannungsreichen Verhältnisses zwischen Ludwig I. bzw. Maximilian II. und Klenze fördert einige neue Aspekte zutage. Im vierten Hauptkapitel untersucht Franziska Dunkel eingehend die phasenweise umfangreichen Finanzen, über welche die Hofbauintendanz unter den wechselnden Königen jeweils verfügte. Die auffallend "changierende Stellung" der Hofbauinstanz "zwischen dem Status einer staatlichen Behörde [...] und einem Hofamt" stellt die Autorin dabei überzeugend als Musterbeispiel für ein grundlegendes strukturelles Problem der konstitutionellen Monarchie dar - die "unvollzogene und wohl nicht vollziehbare Trennung von Staat und Dynastie" (375).

Die Geschichte von Aufstieg und Fall der Bayrischen Hofbauinstanz versteht Franziska Dunkel als exemplarische Einzelfallstudie. Dabei sieht sie sich mit ihrem quellengestützten Arbeiten der 'thick description' von Clifford Geertz' verpflichtet (11). In dem Bestreben, daneben auch Elemente der Alltagsgeschichte und der Mikrogeschichte zu integrieren, kommt sie zu einer Vorgehensweise, bei der sich "diachrone Überblicksdarstellungen mit gleichsam mikroskopischen Tiefenanalysen einiger synchroner Einzelaspekte" abwechseln, wobei "darüber hinaus [...] der Blick immer wieder auf größere Zusammenhänge gerichtet" wird (7). Leider führen die große Quellennähe und die Genauigkeit der zahlreichen Einzelbetrachtung einerseits und das Bemühen nach thematischer Ordnung des gesamten Materials andererseits zu Wiederholungen, zahlreichen Querverweisen und zu einer stellenweise wenig stringenten Gliederung. Das generell begrüßenswerte Bemühen um Vollständigkeit gerät an einigen Stellen zu etwas ermüdenden Aufzählungen. Auch wenn die als roter Faden gedachte 'Lebensgeschichte' der Hofbauinstanz so mitunter aus dem Blick gerät, gelingt es der Autorin mit ihrem flüssigen Schreibstil doch immer wieder, den Faden aufzunehmen und so das angestrebte Gesamtbild beisammen zu halten.

Der Ertrag des Buches ist, entsprechend der gewählten Methodik und Gliederung, nicht an einer zentralen These ablesbar. So ist auch das mit "Resümee" überschriebene abschließende Kapitel nicht in erster Linie als Zusammenfassung einer Argumentation zu lesen. Vielmehr führt die Autorin hier in einem, allerdings recht kurz geratenen Exkurs über Preußens Hofbauverwaltung eindrucksvoll vor, wie der anhand der Bayrischen Hofbauinstanz geschärfte Blick in der Übertragung auf ein anderes Untersuchungsgebiet fruchtbar gemacht werden kann.


Anmerkungen:

[1] Zu Bauverwaltung und Architektenausbildung vgl. Eckard Bolenz: Vom Baubeamten zum freiberuflichen Architekten. Technische Berufe im Bauwesen (Preußen/Deutschland 1799-1931), Frankfurt/M. 1991. Zu den Auswirkungen staatlicher Bauverwaltung vgl. Thomas Spohn (Hrsg.): Bauen nach Vorschrift? Obrigkeitliche Einflussnahme auf das Bauen und Wohnen in Nordwestdeutschland (14. bis 20. Jh.), Münster u.a. 2002. Zu Bauordnungen, Verwaltungsstrukturen und Städtebaugeschichte vgl. Ulrich Reinisch: Der Wiederaufbau der Stadt Neuruppin nach dem großen Brand von 1787. Oder: Wie die preußische Bürokratie eine Stadt baute, Worms 2001; Eva-Maria Seng: Stadt - Idee und Planung. Neue Ansätze im Städtebau des 16. und 17. Jahrhunderts, München/Berlin 2003. Zur Bauverwaltung einzelner Regionen und Orte vgl. Reinhart Strecke: Anfänge und Innovation der preußischen Bauverwaltung. Von David Gilly zu Karl Friedrich Schinkel, Köln u. a. 2000; Dietrich Lösche: Staatliche Bauverwaltung in Niedersachsen. Vom Oberbaubeamten im Landbaudistrikt zum Staatlichen Baumanagement, Bielefeld 2004; Bezirksamt der Stadt Neuköln, Abteilung Bauwesen (Hrsg.): 100 Jahre Bauen für Neukölln. Eine kommunale Baugeschichte, Berlin 2005; Dieter Schädel (Hrsg.): "Wie das Kunstwerk Hamburg entstand". Von Wimmel bis Schumacher - Hamburger Stadtbaumeister von 1841-1933, Hamburg 2006.

[2] Winfried Nerdinger (Hrsg.): Friedrich von Gärtner. Ein Architektenleben (1791-1847), München 1992; Adrian von Buttlar: Leo von Klenze. Leben - Werk - Vision, München 1999; Winfried Nerdinger (Hrsg.): Leo von Klenze. Architekt zwischen Kunst und Hof 1784-1864, München u. a. 2000.

Christof Baier