Rezension über:

Peter E. Fäßler: Globalisierung. Ein historisches Kompendium, Stuttgart: UTB 2007, 240 S., ISBN 978-3-8252-2865-1, EUR 14,90
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Rezension von:
Ralf Roth
Historisches Seminar, Goethe-Universität, Frankfurt/M.
Redaktionelle Betreuung:
Andreas Fahrmeir
Empfohlene Zitierweise:
Ralf Roth: Rezension von: Peter E. Fäßler: Globalisierung. Ein historisches Kompendium, Stuttgart: UTB 2007, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 7/8 [15.07.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/07/12575.html


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Peter E. Fäßler: Globalisierung

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Während der letzten Jahre ist die Globalisierung zu einem allgegenwärtigen Phänomen herangewachsen, kaum ein Lebensbereich bleibt von ihren Folgen unberührt. [1] Und so ist dann auch Globalisierung zweifellos ein zentraler Begriff des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts, der über die Wirtschaftssphäre immer mehr in die politischen und sozialen Beziehungen eindrang und seit den 1990er Jahren eine erstaunliche Karriere erlebte. Er verdrängte ältere Begrifflichkeiten wie "Industriegesellschaft", "Spätkapitalismus" oder "Postmoderne" und es fällt auf, das Thema ist nicht weit weg von der ebenfalls reüssierenden Weltgeschichte, die gewissermaßen die Antwort der Historiker auf den gegenwärtigen Allerweltsbegriff darstellt. Da fangen die Probleme an und setzt der Verfasser mit seinem Problemaufriss ein.

Es geht um "Global Player", rund um den Erdball präsente, multinationale Unternehmen und um global organisierte Herstellungs- und Vertriebsstrukturen, die ein beachtliches Handels- und Transportaufkommen nach sich ziehen. Es handelt sich um rasch expandierende Bereiche, die sich lohnen, weil den Mehrausgaben im Bereich Logistik und Transport weitaus höhere Einsparungen bei Löhnen, Sozialleistungen, Steuern und Betriebskosten in den weltweiten Niederlassungen sowie staatliche Subventionen, Ansiedlungsprämien und vieles andere mehr gegenüberstehen. Es geht weiterhin um die ökologischen Folgen einer weltweit verflochtenen und dynamisch expandierenden Wirtschaft, die besonders innerhalb der "Triade" Nordamerika, West- und Mitteleuropa sowie den bevölkerungsreichen bisher als Schwellenländer bezeichneten Ökonomien Ostasiens dynamisch voranschreitet, während Afrika eher von der Entwicklung ausgespart bleibt. [2] Die als "global" titulierte moderne Weltwirtschaft stößt weltweit auf zahlreiche Vorbehalte. Globalisierungskritiker vertreten die These von der kulturellen Homogenisierung und damit des schleichenden Verlusts regionaler Vielfalt. Dagegen erhebt sich Widerstand. Gemäß der Einsicht "think global, act local" wird versucht, Gegentendenzen zu mobilisieren. Bereits in den frühen 1990er Jahren kennzeichnete der Soziologe Roland Robertson die Adaption globaler kultureller Muster an lokale und regionale Befindlichkeiten mit dem Kunstwort "Glocalization". [3]

Diese Probleme und ihre soziologischen, politik- und wirtschaftswissenschaftlichen Verarbeitungen bilden auch eine Herausforderung für die Geschichtswissenschaft. Nach Fäßler besteht sie darin, die vor allem von Ökonomen vertretene Auffassung zurückzuweisen, die Globalisierung sei ein Phänomen des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Nach seiner Auffassung belegt die historische Genese der Globalisierung, dass wir es mit einem lang dauernden, säkularen Prozess zu tun haben. Damit nimmt das Buch zur Globalisierung eine Wende, denn der Verfasser geht davon aus, dass historische Einsichten zu einem tieferen Verständnis der gegenwärtigen Situation führten und umgekehrt die Globalisierung der historischen Forschung eine wichtige heuristische Hilfestellung biete, um zahlreiche bekannte Sachverhalte einer Neuinterpretation zu unterziehen. Aus diesem Grund enthält das Kompendium Globalisierung neben einem Überblick zur Theorie und der inhaltlichen Abgrenzung zu verwandten Begriffen wie Internationalisierung, Weltwirtschaft, Weltsystem oder Globalgeschichte auch einen historischen Überblick, der den Anspruch erhebt, eine Darstellung der Globalisierung entlang der Zeitachse zu präsentieren und in besonderem Maße das Zusammenwirken ganz unterschiedlicher Faktoren innerhalb einzelner Entwicklungsabschnitte zu verdeutlichen. Dieser Teil endet in Überlegungen zur methodisch-analytischen Weiterentwicklung der modernen Geschichtsforschung und es wird empfohlen, die Eingrenzung auf die Nation zu überwinden, da sie die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften lange in ein zu enges Korsett gezwängt habe.

Fäßler ist zuzustimmen, dass es gute Gründe gibt, sich näher mit einer Weltperspektive der historischen Wissenschaft auseinanderzusetzen und es gibt noch bessere Gründe, die aktuelle Diskussion um Globalisierung zu historisieren, wie dies ja auch von zahlreichen Autoren seit einigen Jahren betrieben wird. Das Problem, das sich in diesem Punkt mit dem vorliegenden Kompendium stellt, ist, dass es der Verfasser bei Beispielen von nationaler und transnationaler Geschichte im Lichte der gegenwärtigen Vorgänge belässt. Der nahe liegende Ansatz, gleich in die Weltgeschichte und die Diskussion um die Konsequenzen einer solchen einzuführen oder die Diskussion darum zusammenzufassen, wird nicht verfolgt. So wird de facto eine rudimentäre Weltgeschichte angedacht, indem die Globalisierung in die Vergangenheit verlängert wird. Das bleibt allerdings ohne Bezug auf die aktuelle Diskussion, die um Weltgeschichte entbrannt ist und vor allem ohne Reflexionen der mit einer historischen Darstellung weltumspannender Prozesse verbundenen methodischen Probleme. Damit bleibt unausgesprochen, was eine Weltgeschichte ist oder sein könnte, wie sie zu fassen ist, was die Hauptaufgaben in der gegenwärtigen Diskussion sind und worin die Herausforderungen bestehen, die sich den Historikern in einer zunehmend vernetzten Welt stellen. Trotz dieses Einwands ist das Kompendium als Einführung in die Probleme der Globalisierung im historischen Kontext von großem Wert.


Anmerkungen:

[1] Jürgen Osterhammel und Niels Petersson: Geschichte der Globalisierung. Dimensionen, Prozesse, Epochen, 3. Auflage, München 2006, 7.

[2] Vgl. Kenichi Ohmae: Macht der Triade. Die neue Form des weltweiten Wettbewerbs, Wiesbaden 1985.

[3] Roland Robertson: Globalization. Social Theory and Global Culture, London 1992, 173-174.

Ralf Roth