Rezension über:

Christine Gundermann: Jenseits von Asterix. Comics im Geschichtsunterricht (= Methoden Historischen Lernens), Schwalbach: Wochenschau-Verlag 2006, 222 S., ISBN 978-3-89974299-2, EUR 14,90
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Rezension von:
Silke Egbers
Odenthal
Redaktionelle Betreuung:
Michael Kaiser
Empfohlene Zitierweise:
Silke Egbers: Rezension von: Christine Gundermann: Jenseits von Asterix. Comics im Geschichtsunterricht, Schwalbach: Wochenschau-Verlag 2006, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 9 [15.09.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/09/13663.html


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Diese Rezension ist Teil des Forums "Geschichtsdidaktik" in Ausgabe 8 (2008), Nr. 9

Christine Gundermann: Jenseits von Asterix

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Comics, seit langem ein Massenmedium, werden zunehmend auch als Träger von Geschichte verwendet. Spätestens seit dem Erscheinen des Comics "Maus" von Art Spiegelmann dürfte diese Form der Geschichtsvermittlung sich etabliert haben, leider ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Methode aber bisher sehr begrenzt. Schwerpunkte setzte hier vor allem Hans-Jürgen Pandel, der sich bereits umfangreich mit der Form der Geschichtsvermittlung durch Comics auseinandergesetzt hat. So ist es auch nicht überraschend, dass das Buch von Christine Gundermann in der Reihe 'Methoden historischen Lernens' erscheint, die unter anderen auch von Pandel herausgegeben wird.

Das vorliegende Buch setzt sich intensiv mit Comics als Träger und Vermittler eines historischen Bewusstseins auseinander. Ausgangsthese der Autorin ist, jenseits der Motivation der Schüler und Schülerinnen durch Comics im Geschichtsunterricht das didaktische Potenzial dieses Mediums darzulegen. Ihre Intention ist es, Pädagoginnen und Pädagogen über das Medium "aufzuklären", sprich eine kritische Auseinandersetzung mit dem Medium Comic zu liefern, um so die auch noch heute geltenden pädagogischen Vorurteile zu entkräften und das vorhandene Potenzial für den Unterricht aufzuzeigen.

Methodisch gliedert sich das Buch in drei Bereiche. Der erste Bereich setzt sich mit den geschichtlichen und theoretischen Grundlagen des Mediums Comic auseinander. Ausgangspunkt ist dabei zunächst die Definition des Begriffs "Comic". Die Autorin erörtert zunächst die verschiedenen Definitionsmöglichkeiten, um dann auf dieser Basis eine für das Buch grundlegende Begriffsbestimmung vorzunehmen. Dabei unterscheidet sie zwischen Comics, Geschichtscomics - sprich Comics, die historische Inhalte aufweisen - und Quellencomics, "die wegen ihres Inhalts, der nicht historisch sein muss, und ihrer Entstehungszeit den Status einer Quelle im wissenschaftlichen Sinn annehmen." (10)

Um bestehende Vorurteile entkräften zu können, liefert Christine Gundermann zunächst einen Abriss der Entstehung und Entwicklung der Comics. Dabei beschränkt sie sich nicht auf rein historische Comics, sondern gibt einen Überblick über die gesamte Comicliteratur. Eine allgemeingültige Definition von "Comic" schließt Christine Gundermann dabei aus. Sie definiert keine Geburtsstunde des Comics, sondern verweist auf eine Vielzahl von Vorformen, die zur Entstehung beigetragen haben, eingeschlossen die "narrative Verwendung von Symbolen oder das Aufkommen erster Bilder mit integriertem Schriftanteil." (11)

Schwerpunkt dieses historischen Überblicks ist dabei die Geschichte des Comics in den zwei deutschen Staaten, die aus jeweils unterschiedlichen Intentionen heraus beide, trotz oder auch wegen des hohen Anteils von Comics an der Jugendkultur, den Comic als Schundliteratur verurteilten. Abschließend gibt Christine Gundermann einen Überblick über den Comic in der deutschen Kultur und Wissenschaft der Bundesrepublik Deutschland seit 1989 und kommt dabei zu dem Ergebnis, dass "die pädagogische Aufwertung der Comics [...] trotz deren ökonomischer Erfolge und kulturellen Anerkennung zu einem großen Teil nur oberflächlich stattgefunden" (49) hat. Dem historischen Abriss folgt ein kurzer Exkurs über die japanischen Comics, sprich Mangas, da sich diese Form des Comics durch eine eigene Ästhetik vom westlichen Comicstil absetzt.

Daran anschließend setzt sich Christine Gundermann mit Aufbau und Funktion des Comics auseinander und unterscheidet dabei zwischen den drei Elementen Bild, Text und Symbol, die in ihrem Zusammenspiel die Geschichte erzählen. Gundermann kommt zu dem Ergebnis, dass eine Kritikfähigkeit zunächst eine konstruktive Auseinandersetzung mit Comics erfordert und das Verbinden der einzelnen Bildelemente als eine Art Grammatik zum visuellen Vokabular des Comics notwendig ist. In der Bildfolge entsteht erst die Narration, die Leserichtung ergibt sich dabei aus den landesüblichen Leserichtungen. Dezidiert werden die Bausteine des Comics erläutert und wichtige Komponenten erklärt, derer es bedarf, um einen Comic zu lesen.

Als didaktisches Ziel sieht Gundermann die Ausprägung einer piktoralen Lesefähigkeit, sprich einer Art Bildlesen, die notwendigerweise die Synthese von Text, Bild und Symbol sowie eine Induktions- und eine Imaginationsfähigkeit voraussetzt. "Im Rahmen einer medialen Methodenkompetenz ist es eine Aufgabe des Geschichtsunterrichts, Angebote zu schaffen, die eine Ausprägung dieser spezifischen Lesefähigkeit ermöglichen." (72) Gundermann erläutert ausführlich die Stimulation von Geschichtsbewusstsein durch Geschichtscomics, Vorraussetzung ist dabei aber eine erfolgreiche Beeinflussung durch den Comic und die Fähigkeit des Lesers, mit dem Medium umgehen zu können.

Im vierten Kapitel zur Theorie des Comics beschränkt sich Christine Gundermann auf den reinen Geschichtscomic. Sie erörtert eingehend die Stimulation von Geschichtsbewusstsein durch Geschichtscomics, wobei sie Geschichtsbewusstsein in Anlehnung an Hans-Jürgen Pandel und sein Modell der acht Kategorien definiert (77).

Die Autorin schildert anhand eines Modells die Stimulation von Geschichtsbewusstsein durch Comics und kommt zu dem Ergebnis, dass eine gezielte positive Beeinflussung durchaus möglich ist, verweist aber eindringlich darauf, dass in jedem Fall eine "intensive Analyse- und Reflexionsphase, die sich nicht nur auf eine kognitive Ebene beschränken darf, sondern ebenfalls eine emotionale Dimension berücksichtigen muss" (87), notwendig sei. Der theoretische Teil schließt mit einer Typologie des Comics. Die einzelnen Typen werden kurz anhand von Beispielen erläutert, eingeordnet und so in ihren Unterschieden verdeutlicht.

Der zweite Bereich des vorliegenden Bandes ist praxisorientiert und setzt sich mit konkreten Beispielen für den Unterricht auseinander. Dabei stellt Gundermann zunächst dezidiert Planungsfragen zur Unterrichtsvorbereitung, die sie umfangreich beantwortet und so die Auseinandersetzung mit dem Medium konkretisiert.

An Beispielen für die Klassenstufe 5/6 (Prisca et Salvanus - Alltag in einer römischen Provinz, 103), Klassenstufe 7/8 (Kolumbus, 111), Klassenstufe 9/10 (Grabenkrieg - Fronterfahrungen im Ersten Weltkrieg, 120) sowie die Oberstufe (Maus - die Geschichte eines Überlebenden, 128) erläutert sie den Inhalt und die Besonderheit des jeweiligen Comics, gibt Hilfestellungen zum Unterrichtsentwurf, dem Arbeitsblatt und einzelnen im Unterricht zu verwendenden Auszügen. Bildauszüge ergänzen die einzelnen Unterrichtsvorschläge.

An diesen Praxisteil schließt der dritte Bereich an. Drei Werkstattberichte, die sich nicht mit vorgegebenen Comics auseinandersetzen, sondern selbst Comics im Unterricht entwerfen, zeigen gezielt einen handlungsorientierten Unterricht. Das Erstellen eigener Comics fördert nicht nur die Methodenkompetenz der Schüler, sondern auch ihre narrative Kompetenz. Vorschläge zu Arbeitsblättern ergänzen diesen Teil. Bedauerlicherweise sind die Vorschläge für die einzelnen Arbeitsvorlagen aufgrund des Buchformates soweit verkleinert, dass selbst mit einer guten Lesebrille einzelne Textbausteine schwer zu entziffern sind. Dies gilt leider für nahezu alle Bildbeispiele.

Ein umfangreiches Literaturverzeichnis und eine umfassende Comicografie, sprich eine ausführliche Auflistung verschiedenster Geschichtscomics, inklusive einer kurzen Inhaltsangabe eines jeden Comics ergänzen das Buch.

Christine Gundermann gibt mit ihrem Buch einen theoretischen sowie einen ausführlichen praxisorientierten Überblick zum Thema Comics im Geschichtsunterricht. Das Buch setzt sich kritisch, aber konstruktiv mit dem Medium auseinander und fordert dazu auf, sich den Möglichkeiten, die Geschichtscomics bieten, als Pädagoge nicht zu verschließen, sondern dieses Medium im Sinne eines fördernden Geschichtsbewusstseins zu nutzen. Der theoretische Überblick liefert die notwendigen Grundlagen und setzt sich wissenschaftlich mit dem Thema auseinander, die praxisorientierten Beispiele bieten Ausgangspunkte, Comics gezielt im Geschichtsunterricht einzusetzen und mit dieser Methode der Geschichtsvermittlung den Unterricht im Sinne der Lernenden und Lehrenden interessant und abwechslungsreich zu gestalten. Bildbeispiele und Auszüge aus einzelnen Comics veranschaulichen dabei die theoretische Auseinandersetzung. Inhaltlich ist das Buch eine Bereicherung für jeden Geschichtspädagogen, bedauerlich ist nur die Qualität des Papiers und des Druckes. Hier wurde zu sehr Rücksicht auf eine preiswerte Veröffentlichung genommen.

Silke Egbers