Rezension über:

Claudia Dobrinski / Brunhilde Gedderth / Katrin Wipfler (Hgg.): Kloster und Wirtschaftswelt im Mittelalter (= MittelalterStudien; Bd. 15), München: Wilhelm Fink 2007, 226 S., ISBN 978-3-7705-4527-8, EUR 24,90
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Rezension von:
Elke Goez
Herzogenaurach
Redaktionelle Betreuung:
Jürgen Dendorfer
Empfohlene Zitierweise:
Elke Goez: Rezension von: Claudia Dobrinski / Brunhilde Gedderth / Katrin Wipfler (Hgg.): Kloster und Wirtschaftswelt im Mittelalter, München: Wilhelm Fink 2007, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 4 [15.04.2009], URL: https://www.sehepunkte.de
/2009/04/14037.html


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Claudia Dobrinski / Brunhilde Gedderth / Katrin Wipfler (Hgg.): Kloster und Wirtschaftswelt im Mittelalter

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Dass Klöster nicht nur Gebetsgemeinschaften, sondern auch Wirtschaftsunternehmen sind, gilt in der Mediävistik seit langem als Selbstverständlichkeit. Der vorzustellende Band vereint acht Beiträge eines Kolloquiums des Paderborner Mittelalter-Kollegs "Kloster und Welt im Mittelalter" aus dem Jahr 2005. Reizvoll ist die Bandbreite des Dargebotenen sowie der Umstand, dass Nachwuchswissenschaftler und arrivierte Forscher gleichermaßen zu Wort kommen. Der Band ist dem verstorbenen Dieter Hägermann gewidmet, der sich in einem Beitrag mit Klöstern als Innovationszentren beschäftigte und sich dabei vornehmlich auf Mühlen, Salzproduktion und Bergbau konzentriert. Er kann zeigen, dass Klöstern seit dem Frühmittelalter ein immenses Innovationspotential innewohnte, wobei technische Neuerungen stets auch mit architektonischen Baumaßnahmen einhergingen, so beispielsweise die Mühlenkombinate von Corbie, der Stollenbau in Salzburg durch Maria Laach und der Untertagebau durch die Abteien Rein, Fontenay oder Admont. Dabei investierten Klöster ganz bewusst auch in Risiko-Bereichen und brachten so nicht nur Wissen und Kapital, sondern auch erheblichen unternehmerischen Mut in das Wirtschaftsleben ihrer jeweiligen Regionen ein.

Der noch sehr wenig erforschten, aber außerordentlich spannenden Frage nach den inneren Veränderungen, die ein aktives Wirtschaftsleben für Abteien mit sich brachte, widmet sich Steffen Patzold in einem Beitrag über fränkische Klöster des 9. Jahrhunderts. Die Wandlung der Konvente von rein spirituellen Zentren zu klösterlichen Wirtschaftsunternehmen schuf klostereigene Identitäten, die über Jahrhunderte tragfähig blieben. Dabei stieg das Selbstbewusstsein der Konvente in dem Augenblick erheblich an, als es ihnen gelang, Kloster- und Konventsgut voneinander abzuschichten. Erst danach konnten sie gegenüber dem Abt ein Recht auf consensus durchsetzen, das ihnen Mitspracherechte und vor allem den Anspruch auf einen festen Teil des Klostergutes eintrug. Dass materielle Sicherheit nicht zum Zerfall der klösterlichen Ideale führte, sondern die Basis für das Streben nach dem Reich Gottes schuf, ist eine der überraschenden Essenzen dieses Beitrages.

Den vielfältigen Vernetzungen der Klöster mit den Städten und dem Umland widmen sich mehrere Beiträge. Werner Rösener gibt einen kurzen Überblick über die Bedeutung klösterlicher Stadthöfe im Spannungsfeld monastischen Lebens und profaner Stadtwelt. Die Funktion der Stadthöfe als Absteige, Residenz, Verwaltungseinheit, Zufluchtsstätte und Absatzmarkt für die Überschussproduktion der Klöster ist indessen nicht neu, bietet aber immer noch eine Fülle offener Fragen. Konkreter wendet sich Brunhilde Gedderth der Bedeutung geistlicher Gemeinschaften als Wirtschaftsfaktoren in mittelalterlichen Städten zu, wobei der Aspekt der Stadthöfe hier keine Rolle spielt. Anhand der Damenstifte in Herford und Essen zeigen sich im Bereich von Angebot und Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen sowie auf dem viel zu wenig erforschten Gebiet des Kreditwesens vielfältige Verflechtungen von Stadt, Land und Kloster, die in dem Beitrag aber nur angerissen werden konnten. In diesen Zusammenhang gehört auch die Frage nach den Klöstern als Arbeitgeber, welche Gudrun Gleba auf Grund westfälischer Rechnungsbücher am Beispiel der Klöster Gertrudenberg und Vinnenberg analysiert. Die vielfältigen Verflechtungen bedürfen ebenso wie klösterliche Rechnungsbücher eine intensivere Erforschung; die ersten Einblicke zeigen aber schon, wie eng die Klöster mit Stadt und Land in ihrer Umgebung verbunden waren und welche enorme wirtschaftliche Bedeutung sie für die sozialen Geflechte ihres Einzugsgebietes besaßen. Da Rechnungsbücher gerade von Frauenkonventen oftmals wenig gut überliefert sind, nahm man lange an, die Konvente hätten es mit den Abrechnungen nicht genau genommen. Diese These kann Johannes Rosenplänter zurückweisen und belegen, dass Rechnungslegung seit dem 14./15. Jahrhundert in allen geistlichen Institutionen sowie in den Städten normal und üblich war. Die norddeutschen Frauenklöster bildeten hier keine unrühmliche Ausnahme.

Sehr konkret beschäftigt sich Andres Laubinger mit den Vernetzungen des Nürnberger Patriziats mit der Kartause Marienzelle, die 1380 als jüngstes Stadtkloster in Nürnberg gegründet worden war. Sowohl für die Kloster- als auch für die landeshistorische Forschung interessant sind seine prosopographischen Untersuchungen sowie seine Klärung der Kartausenkonvente von 1440 und 1525. Spannend zu sehen, dass das Patriziat zu keiner Zeit den Konvent vollständig dominierte, obwohl sich sehr berühmte Namen Nürnberger Geschlechter in den Personenlisten von 1380-1541 finden.

Klöster prägen den Raum aber nicht nur durch ihre Produktion und ihre Eingriffe in die Wirtschaftskreisläufe, sondern auch durch sprachliche Raumerschließung. Wolfgang Haubrichs analysiert hierfür Zisterzienserklöster und unterscheidet hydronomische, monastisch-institutionelle, programmatische, Heilig-Land- und Patrozinien-Namen, wozu noch eine Fülle von Marien-Namen und nicht zuletzt von fürstlichen Memorialnamen kamen. All diese Namen haften an Lokalitäten, natürlichen, institutionellen oder politischen Gegebenheiten. Aber den Zisterziensern gelingt es, diese engen Grenzen des Raumes durch allegorisierende Namen zu durchbrechen und damit den Übergang aus der profanen Welt in das göttliche Reich ein Stück weit zu vollziehen.

Dem nicht in allen Teilen gleich gelungenen, in manchen Beiträgen bereits oftmals Gesagtes wiederholenden Band sind sieben Farbabbildungen sowie ein sehr hilfreiches Register beigegeben. Insgesamt bietet die Aufsatzsammlung viele Anregungen, um über die Bedeutung der Klöster für die Wirtschaftswelt und umgekehrt weiter zu forschen. Dass an einigen Stellen eine gründlichere Literaturrecherche hätte stattfinden können, sei nicht unterschlagen, ändert aber nichts daran, dass der Band zu empfehlen ist.

Elke Goez