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Claudia Zey: Neubewertungen Friedrichs II. (1194-1250). Einführung, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 4 [15.04.2009], URL: https://www.sehepunkte.de
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Neubewertungen Friedrichs II. (1194-1250)

Einführung

Von Claudia Zey

Der Staufer Friedrich II. (1194-1250) gehört ohne Zweifel zu den faszinierendsten Herrschergestalten des europäischen Mittelalters. Seine Herrschaft, seit 1198/1208 zunächst über das Königreich Sizilien, seit 1211/12 über das römisch-deutsche Reich (seit 1220 Kaiser) und schließlich seit 1229 über das Königreich Jerusalem, markiert den Endpunkt hochmittelalterlicher Kaiserherrschaft über ein zusehends in mächtige Landesherrschaften auseinander fallendes Reich.

Für die deutsche und italienische Geschichtswissenschaft ist die Ära Friedrichs II. seit mehr als einem Jahrhundert zentraler Forschungsgegenstand. Nicht nur bedeutende biografische Arbeiten - von der ebenso literarisch hervorstehenden wie inhaltlich umstrittenen Panegyrik eines Ernst Kantorowicz (1927, Ergänzungsband 1931) bis zur ausgewogenen Würdigung durch Wolfgang Stürner (1992-2000) - schlagen als herausragende Forschungsergebnisse zu Buche, sondern auch die großen Editionsprojekte, die den urkundlichen, literarischen und historiografischen Quellenreichtum der Zeit kritisch aufarbeiten und damit erst weitere Forschungsperspektiven eröffnen. Die umstrittene Persönlichkeit des Kaisers steht dabei nicht mehr so deutlich im Vordergrund; sie dient eher als Verbindungslinie zwischen den stärker strukturell ausgerichteten herrschafts-, kultur- und wissenschaftsgeschichtlichen Ansätzen, die das aktuelle Bild der Friedrich-Forschung bestimmen.

Im vergangenen Jahr sind gleich mehrere Bände zu Friedrich II. und seiner Zeit erschienen, welche Neubewertungen des Staufers und seiner Zeit vornehmen. Sie gebündelt vorzustellen, ist Ziel dieses Forums.

Hubert Houben nähert sich der Thematik mit biografischem Fokus. Die Gliederung seines Buches gibt er im Untertitel mit den Schlagworten "Herrscher, Mensch und Mythos" vor. In allen drei Teilen kommt Houben trotz des einführenden Überblickscharakters, den seine Monographie in erster Linie haben soll, zur Neubewertung einzelner Forschungsergebnisse. Houbens Anliegen, die Verhältnisse in Süditalien zum universalen Anspruch des Staufers in Beziehung zu setzen, hat außerdem zu einem von ihm und Georg Vogeler herausgegebenen Sammelband unter dem Titel "Federico II nel Regno di Sicilia. Realtà locali e aspirazioni universali" geführt. In jeweils mehreren Beiträgen wird Friedrichs Umgang mit der kommunalen Entwicklung, sein Verhältnis zu den kirchlichen Institutionen sowie der Ausbau des normannischen Verwaltungsapparats untersucht. Zumal die Einschätzung von Friedrichs eher flexiblem Umgang mit städtischen Autonomiebestrebungen weicht von bisherigen Sichtweisen ab.

Die regional unterschiedlichen, kontextgebundenen Erwartungshaltungen an den Herrscher sind Gegenstand des von Knut Görich, Jan Keupp und Theo Broekmann herausgegebenen Sammelbandes "Herrschaftsräume, Herrschaftspraxis und Kommunikation zur Zeit Kaiser Friedrichs II.". Die thematische Vielfalt der insgesamt 14 Beiträge führt zu weiteren Differenzierungen des Friedrich-Bildes auf bisher kaum beachteten Forschungsfeldern.

Der von Gundula Grebner und Johannes Fried herausgegebene Band "Kulturtransfer und Hofgesellschaft im Mittelalter. Wissenskultur am sizilianischen und kastilischen Hof im 13. Jahrhundert" bietet mit einigen Aufsätzen zum im Umfeld Alfons X. von Kastilien entstandenem und übersetztem Schrifttum einen Vergleich zwischen den kulturellen Leistungen dieses Hofs mit demjenigen Friedrichs II. Im Mittelpunkt des Bandes steht aber ein mehrere Beiträge umfassender Schwerpunkt zum sogenannten Moamin (einer am Hof Friedrichs II. aus dem Arabischen ins Lateinische übertragenen Falken- und Hundeheilkunde) und dem Problem des Überlieferungs- und Rezeptionsverhältnisses zwischen diesem Werk und dem berühmten Falkenbuch des Staufers. Stefan Georges leistet mit seiner Dissertation "Das zweite Falkenbuch Kaiser Friedrichs II. Quellen, Entstehung, Überlieferung und Rezeption des Moamin. Mit einer Edition der lateinischen Überlieferung" einen zur Klärung wichtigen Beitrag dieser Fragen. Demnach habe Friedrich am Adaptionsprozess arabischen Wissens für die westliche Falknerei persönlich maßgeblichen Anteil gehabt. Friedrichs wissenschaftliche Leistungsfähigkeit wird damit noch weiter präzisiert.

Die hier nur angedeuteten Ergebnisse der rezensierten Bücher weisen letztlich über ihren eigentlichen Forschungsgegenstand hinaus, indem sie zeigen, auf welchen Forschungsgebieten und mit welchen modernen Fragestellungen und methodischen Ansätzen fundierte Neubewertungen eines mittelalterlichen Herrschers und seiner Zeit möglich sind.

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