Rezension über:

Filippo Canali de Rossi: Filius publicus. ΥΙΟΣ ΤΗΣ ΠΟΛΕΩΣ e titoli affini in iscrizioni greche di età imperiale. Studi sul vocabolario dell'evergesia, Roma: Herder Editrice e Libreria 2007, IX + 272 S., ISBN 978-88-89670-24-8, EUR 40,00
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Rezension von:
Chryssoula Veligianni-Terzi
Seminar für Klassische Philologie und Alte Geschichte, Aristoteles-Universität, Thessaloniki
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Chryssoula Veligianni-Terzi: Rezension von: Filippo Canali de Rossi: Filius publicus. ΥΙΟΣ ΤΗΣ ΠΟΛΕΩΣ e titoli affini in iscrizioni greche di età imperiale. Studi sul vocabolario dell'evergesia, Roma: Herder Editrice e Libreria 2007, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 10 [15.10.2009], URL: https://www.sehepunkte.de
/2009/10/13868.html


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Filippo Canali de Rossi: Filius publicus. ΥΙΟΣ ΤΗΣ ΠΟΛΕΩΣ e titoli affini in iscrizioni greche di età imperiale

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Filippo Canali De Rossi hat im vorliegenden Buch alle bekannten griechischen Inschriften und Münzen aus der römischen Kaiserzeit zusammengestellt, in denen aus der Familienterminologie abgeleitete Ehrentitel belegt sind, die von städtischen Institutionen, selten von Provinziallandtagen, Mitgliedern der sozialen Oberschicht für verdienstvolle Tätigkeiten verliehen wurden. Zwar ist die Anwendung von Begriffen aus der Familienterminologie auf politischer Ebene bereits im Kontext der Griechischen Kolonisation bekannt, jedoch sind die aus diesen Begriffen gebildeten Ehrentitel ein Merkmal der römischen Kaiserzeit. Nach einer kurzen Einleitung (iii-vi) zur Definition des Themas und zur Geschichte der Forschung werden die durchgehend nummerierten Inschriften und Münzen präsentiert, thematisch-chronologisch in vierzehn Kapitel eingeteilt, wobei gleiche Titel in mehreren Kapiteln vorkommen. Bei jedem Beleg werden Publikationen, gegebenenfalls Datierung, Text, italienische Übersetzung und prosopographischer Kommentar (bei schon bekannten Personen) gegeben. Bei den meisten Kapiteln fehlt eine einleitende Erklärung zum spezifischen Thema (VI, XIII-XIV).

Entstehung und Funktion des Titels "Sohn des Demos" werden anhand frühester Belege aufgezeigt (I, 3-14). Der erste "Sohn des Demos" ist ein bekannter Anhänger des M. Antonius, nämlich Nikias aus Kos, und Canali De Rossi erklärt den Titel in Zusammenhang mit dem Sieg des Octavianus bei Aktion. Schon unter Augustus etabliert, erweist der Titel seine charakteristischen Züge, die er mit den anderen ähnlichen Titeln gemein hat: Er steht neben dem Vatersnamen, es treten Variationen in seiner Formulierung auf, im selben Kontext finden sich auch andere Ehrentitel und insbesondere die ebenfalls erst unter Augustus bezeugten Titel philokaisar und philosebastos. Daraus folgert Canali De Rossi eine frühe direkte Beziehung zwischen dem Titel "Sohn des Demos" bzw. "Sohn der Stadt" und den Titeln philokaisar und philosebastos und stellt im zweiten Kapitel die diesbezüglichen Inschriften vor (II, 15-36). Aber der Formulierung der Inschriften nach gibt es keine direkte Beziehung zwischen den genannten Titeln, die sich im selben Kontext auch mit anderen Ehrentiteln wie zum Beispiel philopatris finden; letzterer Titel kommt sogar oft in den Verbindungen "philopatris und philokaisar" und "philosebastos und philopatris" vor. Im darauffolgenden Kapitel geht es um die Inschriften, die den erst in der Flavierzeit bezeugten Titel "Tochter der Stadt" oder "Tochter des Demos" enthalten (III, 37-46).

Von den Städten kommt Canali De Rossi zu den römischen Provinzen und legt die entsprechenden Inschriften vor. Die gewöhnlichen Formeln sind "Sohn der Provinz", "Sohn von Asien", "Sohn der Makedonen" (IV, 47-54). Einleitend zu den Inschriften bemerkt Canali de Rossi, dass der Gebrauch des Titels irgendwie mit dem Kaiserkult verbunden ist, da einige Geehrte auch Oberpriester im provinzialen Kaiserkult waren (47); doch bleibt die angesprochene Verbindung unbestimmt.

Die in der Folge angeführten Inschriften geben Aufschluss über Söhne, Väter und Mütter der Boule und der Gerousia. Die Behandlung der Inschriften wird von einem Anhang mit dem Untertitel "La metafora familiare nel mondo romano" unterbrochen (V, 55-74). Dieser Anhang gehört nicht zur Thematik des Buches. In diesem Kapitel ist festzustellen, dass eine scharfe thematische Einteilung der Inschriften unmöglich ist, denn derselbe Geehrte ist "Sohn der Stadt" und "Vater der Boule" (Nr. 34), eine Geehrte ist "Mutter der Boule und des Demos" und ihr Mann "Sohn der Stadt" (Nr. 37d-38b). Bemerkenswert ist die Formel "Sohn der Stadt und philopatris" (Nr. 37c-38d). Auch Kollegien der Neoi und Phylen verliehen entsprechende Ehrentitel: "Sohn der Neoi", "Sohn der Phyle" und "Vater der Phyle". Seltsamerweise gibt es in keiner Inschrift den entsprechenden Titel "Mutter von ..." (VI, 75-80).

Um den Titel "Sohn des Demos" bzw. "Sohn der Stadt" geht es in den vier nächsten Kapiteln. Zuerst werden die Inschriften und Münzen aufgelistet, die die Fortsetzung des Titels während der Zeit der Adoptivkaiser bezeugen (VII, 81-88), gefolgt von den Inschriften, die die Verbreitung des Titels in derselben Zeit in Städten außerhalb Kleinasiens belegen (VIII, 89-101). Im Präskript eines Ephebenkatalogs (Nr. 65) erscheint unter den erwähnten Ämtern eine Person mit dem Titel "Sohn der Stadt". Canali De Rossi weist auf die Inschriften Nr. 65-67 und 69 als Belege für die Funktion des Titels als Quasi-Amt hin (222). Allerdings sind die Inschriften Nr. 66, 67, 69 in dieser Hinsicht nicht relevant, und die Inschrift Nr. 147b lässt den Schluss zu, dass der Titel "Vater der Stadt" kein Quasi-Amt war. Auch der nächste Abschnitt mit Schwerpunkt über die neuen Varianten in der Formulierung betrifft in der Tat den Titel "Sohn der Stadt", weil mit Ausnahme eines "Sohnes von Lesbos" (Nr. 69) und einer "Tochter der Stadt" (Nr. 80b) in den übrigen Inschriften der Titel "Sohn der Stadt" vorkommt (IX, 102-116). Danach werden wieder Inschriften und Münzen aufgeführt, die den Titel "Sohn der Stadt" enthalten (X, 117-125). Der Sinn dieser Einteilung ist auch nicht mit Hilfe der Belege klar. Ebenso den Titel "Sohn der Stadt" betreffen die angegebenen Inschriften, welche seine geographische Verbreitung bis in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts hinein zeigen (XI, 126-144).

Dem Vorangegangenen entsprechend werden die Inschriften dargestellt, die die Verbreitung des Titels "Tochter der Stadt" bezeugen (XII, 145-160). In der Inschrift Nr. 127 erscheint ein "Sohn der Stadt", aber keine "Tochter der Stadt". Wenige Inschriften belegen den Titel "Mutter der Stadt" (XIII, 161-167). Danach werden die Inschriften geordnet, die den Titel "Vater der Stadt" betreffen (XIV, 168-180). Miteinbezogen ist auch ein "Vater des Synedrions von Makedonien" (Nr. 146). In der letzten Inschrift kann kein Titel ergänzt werden (XV, 181).

Nach der Bibliographie (183-188) folgen mehrfach unterteilte ausführliche Indices: Namen (191-221), die Ehrentitel (222-234), allgemeine griechische Wörter (235-244), literarische Quellen (245-246), epigraphische Konkordanz (247-270) und numismatische Quellen (271-272).

Die vorliegende Arbeit ist ein hilfreicher epigraphischer Beitrag zu einem vielschichtigen historischen Phänomen der griechischen Geschichte in der Kaiserzeit. Somit hat Filippo Canali De Rossi die Grundlage für eine immer noch fehlende umfassende Untersuchung der angesprochenen Ehrentitel bereitgestellt. Hierbei ist von besonderem Interesse, die Verbindung dieser Titel aus der Familienterminologie mit konkreten Wohltaten und ihr Verhältnis zu den anderen im selben Kontext stehenden Ehrentiteln zur Evidenz zu bringen.

Chryssoula Veligianni-Terzi