Rezension über:

Barbara Wallner: Die Perioiken im Staat Lakedaimon, Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2008, 402 S., ISBN 978-3-8300-4016-3, EUR 95,00
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Rezension von:
Dorothea Rohde
Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie, Universität Bielefeld
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Dorothea Rohde: Rezension von: Barbara Wallner: Die Perioiken im Staat Lakedaimon, Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2008, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 7/8 [15.07.2010], URL: https://www.sehepunkte.de
/2010/07/18216.html


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Barbara Wallner: Die Perioiken im Staat Lakedaimon

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Eine Synthese zu den spartanischen Periöken zu verfassen, ist eine verdienstvolle, wenn auch keine leichte Aufgabe: Während Spartiaten, Heloten und ihr prekäres Verhältnis zueinander in den literarischen Quellen verhältnismäßig häufig Erwähnung fanden, interessierten sich unsere antiken Gewährsmänner - hier vor allem Xenophon, Thukydides und Plutarch - selten für diese Bevölkerungsgruppe der lakedaimonischen Polis. Dabei ist ihre politische Stellung innerhalb des spartanischen Gemeinwesens relativ klar: Sie waren freie Bürger, die jedoch keine vollen politischen Rechte besaßen. Sie durften daher nicht in Sparta selbst wohnen, konnten nur ausnahmsweise die Agoge durchlaufen und besaßen weder aktives noch passives Stimmrecht. Trotz ihrer minderen Stellung hielten die Periöken, deren Siedlungen in den antiken Quellen als Poleis bezeichnet werden, lange Zeit loyal zu Sparta.

Somit mutet das Verhältnis zwischen Spartiaten und Periöken geradezu paradox an: Wie waren die Periöken als Bürger der Polis Lakedaimon politisch, wirtschaftliche, militärisch und kultisch integriert, wenn sie doch keine Vollbürgerrechte besaßen? Dieser Frage widmet sich Barbara Wallner in ihrer im Wintersemester 2006/07 von der Philosophischen Fakultät der Universität Passau angenommenen Dissertation.

Nach einer knappen Einleitung, in der die Frage "nach der Organisation des Staates der Lakedaimonier" (14) und der Rolle der Periöken im Zeitraum vom 5. Jahrhundert bis zum Anfang des 2. Jahrhunderts v.Chr. aufgeworfen wird, folgen zwei Hauptkapitel. In einem ersten Abschnitt (23-201) fasst Wallner katalogartig die literarischen, epigraphischen, archäologischen und numismatischen Zeugnisse zu denjenigen Periökengemeinden zusammen, die Pausanias auf seiner Route durch das östliche Lakonien nennt. Diese Auswahl begründet Wallner damit, dass der Perieget die wichtigste literarische Quelle für Lakonien darstellt. Zudem genüge eine exemplarische Auswahl, um die gesellschaftliche, wirtschaftliche und kultische Situation der Periöken im Allgemeinen zu erkennen (20-21; 23).

Doch eine exemplarische Auswahl hätte methodisch anderer Kriterien bedurft: So bezeugt Pausanias den Zustand der periökischen Siedlungen vor allem in seiner eigenen Zeit (2. Jahrhundert n.Chr.) und ist selbst dann nicht immer zuverlässig. [1] Zudem hätte eine repräsentative Auswahl zum einen messenische sowie lakonische (und nicht nur ostlakonische) Periökengemeinden, zum anderen auch deren geographische Lage (Küste, Ebene, Gebirge), ökonomische Ressourcen (Fischfang, Abbau von Bodenschätzen, Handel) und Territoriumsgröße berücksichtigen müssen.

Nichtsdestotrotz vermittelt die Zusammenstellung der relevanten Zeugnisse einen aufschlussreichen Einblick in die Heterogenität der periökischen Gemeinden des östlichen Lakoniens. Zwei Ergebnisse verdienen hier Erwähnung, die allerdings in ähnlicher Weise bereits formuliert wurden: Die teilweise sehr großen Entfernungen der Periökensiedlungen zueinander bzw. zum politischen Zentrum Sparta konnten wegen der geographisch stark fragmentierten Landschaft teilweise nur mit erheblichen Aufwand überwunden werden. Allein diese Tatsache erschwerte die direkte Einflussnahme der Spartiaten auf die inneren Verhältnisse der Periökengemeinden. Die Einwohnerzahl dieser Poleis berechnet Wallner auf etwa 320-480, in Einzelfällen (Geronthrai) sogar bis zu 4000 Personen (260-262; 361), was den gängigen Schätzung in etwa entspricht. [2]

Der zweite Abschnitt "Die Periöken im Staat Lakedaimon" (203-356) unterzieht das Verhältnis der Periöken zur lakedaimonischen Polis einer strukturellen Analyse. Hier werden in sechs Unterkapiteln die Lage der Periökengemeinden, ihre Entstehung, die wirtschaftliche Situation und soziale Differenzierung, die rechtliche Stellung und ihre lokale Selbstverwaltung, die Loyalität der Periöken sowie ihre Interaktionen mit Sparta thematisiert. Die Auseinandersetzung mit veralteten Thesen wirkt zuweilen müßig (z.B. das Kapitel "C.2. Die Entstehung der Perioikengemeinden" oder die Frage, ob in den periökischen Poleis Harmosten eingesetzt wurden, 273-275). Demgegenüber fehlt teilweise eine kritische Diskussion der aktuellen Forschungsliteratur. [3]

Ein kurzes Schlusskapitel sowie verschiedene Anhänge (Tabellen zu den Siedlungsepochen des östlichen und westlichen Lakoniens, Literaturverzeichnis, Quellenverzeichnis und verschiedene Register) beschließen die Monographie.

Die Dissertation bietet als einzige aktuelle Zusammenfassung zu den lakonischen Periöken hilfreiche Einzelbeobachtung und vermittelt einen guten Einblick in die Heterogenität der periökischen Poleis. Dabei zeigt Wallner die Bereiche auf, in denen die Periöken in die Polis Lakedaimonion eingebunden waren. Zuweilen spiegelt die Untersuchung allerdings nicht den neuesten Stand der Forschung wider und referiert allzu oft wohl Bekanntes. Die Thematik ist daher noch nicht ausgeschöpft und birgt Potenzial für weitere Forschungen.


Anmerkungen:

[1] Dies zeigt sich beispielsweise in seinen Entfernungsangaben oder im Hyperteleaton. Letzteres ist keine Periökengemeinde, sondern ein Heiligtum, das laut Pausanias Asklepios geweiht gewesen sein soll. Doch die zahlreichen Inschriften und Votivgaben weisen ausnahmslos auf Apollon Hyperteleatas, wie Wallner selbst bemerkt (106).

[2] Zu den Entfernungen zwischen den einzelnen periökischen Poleis und zu Sparta siehe G. Shipley: 'The other Lakedaimonians'. The Dependent Perioikic Poleis of Laconia and Messenia, in: Hansen, M. H. (Hrsg.): The Polis as an Urban Centre and as a Political Community. Symposium August 1996, Kopenhagen 1997, 189-281. Zu der durchschnittlichen Polis-Größe siehe E. Ruschenbusch: Die Zahl der griechischen Staaten und Arealgröße und Bürgerzahl der "Normalpolis", in: ZPE 59 (1985), 253-263.

[3] Überhaupt endet die Literaturliste mit K.-W. Welwei: Sparta. Aufstieg und Niedergang einer antiken Großmacht, Stuttgart 2004. Wichtige Arbeiten wurden z.T. nicht beachtet, z.B.: W. G. Cavanagh: The Laconia Rural Sites Project, London 2005; E. Lévy: Sparte. Histoire politique et sociale jusqu'à la conquête romaine, Paris 2003; P. Cartledge: Hellenistic and Roman Sparta. A Tale of Two Cities, 2nd ed., London 2002; J. Gallego: The Lakedaimonian Perioikoi. Military Subordination and Cultural Dependence, in: Anastasiadis, V.I. (éd.): Esclavage antique et discriminations socio-culturelles. Actes du XXVIIIe colloque international du Groupement International de Recherche sur l'Esclavage Antique, Bern 2005, 33-58.

Dorothea Rohde