Rezension über:

André Wink: Akbar, Oxford: Oneworld Publications 2009, 124 S., ISBN 9781851686056, USD 40,00
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Rezension von:
Rosa Hartung
Bonn
Redaktionelle Betreuung:
Stephan Conermann
Empfohlene Zitierweise:
Rosa Hartung: Rezension von: André Wink: Akbar, Oxford: Oneworld Publications 2009, in: sehepunkte 11 (2011), Nr. 3 [15.03.2011], URL: https://www.sehepunkte.de
/2011/03/19730.html


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Diese Rezension ist Teil des Forums "Islamische Welten" in Ausgabe 11 (2011), Nr. 3

André Wink: Akbar

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Dem mit Abstand berühmtesten Herrscher des Mogulreiches, Ǧalāl ad-Dīn Akbar (1542-1605), sind bisher zahlreiche Forschungsbeiträge gewidmet worden, die unterschiedliche Aspekte seiner Regierungszeit beleuchten.

Zugegebenermaßen kommt jeder, der sich mit der Geschichte des indischen Mogulreiches befasst, schwerlich an einer Darstellung von Akbars Leben und Wirken vorbei. Allerdings sind die grundlegenden Studien, die primär die Biographie Akbars behandeln, schon vor mindestens einigen Jahrzehnten verfasst worden. Die erste deutschsprachige Biographie des berühmten Herrschers schrieb der schleswig-holsteinische Graf von Noer (1880-1885); hinzu kamen später andere europäisch-sprachige Publikationen, wie zum Beispiel, um hier nur einige wenige zu nennen, diejenigen von Smith (1919), Habib (1989) und Nizami (1989). [1]

Zu den jüngsten Veröffentlichungen gehört die Monographie von André Wink, Dozent für Geschichte an der Madison University in Wisconsin. Sein Werk mit dem Titel "Akbar" umfasst 124 Seiten und ist in der Reihe "Makers of the Muslim World" erschienen, welche in erster Linie sowohl Laien als auch Wissenschaftlern einen informativen und bündigen Zugang zu berühmten Persönlichkeiten der islamischen Welt bieten möchte.

Obgleich Akbar der dritte timuridische Herrscher von Nordindien war, wird er als der eigentliche Gründer des Mogulreiches gesehen. Diese Sichtweise ist teilweise durch die Tatsache bedingt, dass ihm eine lange Regierungszeit von fast einem halben Jahrhundert (1556-1605) beschert war, während derer das Reich auf allen Gebieten - militärisch, politisch und kulturell - prosperierte. Akbars Vorgänger hatten es hingegen weit weniger leicht gehabt. Seinem Großvater Bābur (1483-1530), dem eigentlichen Dynastiegründer, waren lediglich vier Jahre als indischer Herrscher bestimmt (1526-1530). Auch Akbars Vater Humāyūn (reg. 1530-1539; 1555-1556) konnte nach seiner zweiten Eroberung Nordindiens lediglich ein Jahr die Macht ausüben. Akbars Herrschaft zeichnet sich durch die Etablierung eines zentralisierten Herrschaftsapparates und die konsequente Einführung der wichtigsten administrativen Institutionen aus.

Winks Studie ist in acht Kapitel gegliedert. In der Einleitung beleuchtet der Verfasser die Hintergründe der Dynastie und die ersten Herrscher. Der günstige Umstand, der zu Akbars Erfolg beitrug, war, so Wink, die Tatsache, dass Akbar, ganz im Gegensatz zu seinen Vorgängern (und teilweise auch zu seinen Nachfolgern), kaum rivalisierende Verwandte hatte. Er besaß lediglich einen Halbbruder, Mīrzā Muḥammad Ḥakīm, der den Posten des Statthalters von Kabul innehatte. (3-4)

Im ersten Abschnitt geht der Verfasser trotz der Fülle der detailierten und historischen Überlieferungen aus der Herrschaftszeit Akbars auf die wenig bekannte Kindheit und die Entwicklung des jungen Prinzen ein. Über die militärischen Vorbereitungen (wie Bogenschießen, Fechten, Reiten und Ringen) und Freizeitbeschäftigungen wie das Jagen und den Sport hinaus gewährt Wink einen Einblick in die höfische Ausbildung des jungen Akbar. Demnach hatte er drei Lehrer, die alle versuchten, ihm Lesen und Schreiben beizubringen - allerdings sei er aufgrund eines Handicaps, einer Legasthenie, schließlich ein Analphabet geblieben.

Die ersten Herausforderungen des bereist mit 14 Jahren auf den Thron gelangten Herrschers behandelt der Verfasser im zweiten Teil seiner Studie. Angesichts seiner Jugend wurden die Regierungsgeschäfte zunächst von Bayram Ḫān (reg. 1556-1560) und anschliessend weitere drei Jahre von Māham Anaga, seiner Amme, wahrgenommen. Bald darauf musste sich Akbar nicht nur gegen den Widerstand der hinduistischen Rajputen und der Afghanen unter dem Kommando des Hindu-Generals Hēmū, sondern auch gegen seine Regenten und seinen Milchbruder Adham durchsetzen, um seine Position zu konsolidieren.

Im nächsten, umfangreichen Abschnitt beschreibt der Verfasser die Feldzüge und die Organisation der Mogularmee. Bei den zahlreichen militärischen Unternehmen lag die Stärke der Moguln in der Kavallerie und insbesondere bei den berittenen Bogenschützen. Ein weiterer Vorteil ihres Heeres bestand dem Autor zufolge in der Verfügbarkeit von Pferden, die aus den mittelasiatischen Steppen importiert wurden, weshalb die Kontrolle der Routen über den Hindukusch und die Stadt Kabul von besonderer Bedeutung war. Hinzu kamen technische Innovationen wie die Einführung der Artillerie und der Einsatz von Feuerwaffen, die einen bedeutenden Beitrag bei Akbars Eroberungen geleistet hatten und dem Reich den Status eines Gunpowder Empire einbrachten. Ferner gelang es Akbar, die Kriegerkaste der Rajputen in die Kavallerie zu integrieren und ihre Kriegstechniken zu adaptieren. Der Verfasser schildert ferner die Eroberungszüge nach dem strategisch bedeutenden Gujarat (fruchtbarer Boden, Zugang zum Arabischen Meer) und nach Bengalen. Ein ständiges Thema blieb während Akbars Herrschaft der Kampf um die Kontrolle über das Gebiet von Kabul. Wink zeigt die Zusammenhänge des Aufstandes von Mīrzā Muḥammad Ḥakīm auf und schildert Akbars spätere Feldzüge gegen die Usbeken.

In Kapitel vier gewährt der Autor anhand dreier von ihm ausgesuchten Beispiele eindrucksvolle Einblicke in die gesellschaftlichen Aktivitäten des Herrschers, vor allem in die Jagd auf wilde Elefanten. Die zugleich deskriptive und stellenweise detaillierte Darstellung von Akbars Jagdausflügen, die oft mit militärischen Kampagnen gegen Aufständische verbunden waren, verleiht der Studie narrative, nahezu romanhafte Züge.

Der gelungene Übergang zum nächsten Abschnitt stützt sich auf das Akbar-nāma von Abū l-Fażl 'Allāmī. Der Wandel der "unzivilisierten Turko-Mongolen" zur Herrscherelite - hier ist ein bildhafter Vergleich mit den Mongol Beasts angeführt - wird mit der Zähmung wilder Elefanten gleichgesetzt. Wink befasst sich vor allem mit der Imageveränderung von barbarischen, räuberischen und brutalen "Tartar-Mongolen" hin zu zivilisierten Moguln, wie die Dynastie im indischen Subkontinent von anderen genannt wurde. Die persische Benennung "Moguln" stand dabei für die Mongolen. Die Machthaber selbst bezeichneten sich hingegen als "Gūrkānī-Dynastie", was sich aus dem mongolischen güregen, "der Schwiegersohn", ableitet und auf Tīmūrs (1336-1405) Heiratsallianz mit einer Prinzessin aus dem Stamm von Čingīz Ḫān (gest. 1227) verweist. Akbars Politik, eine lockere, multiethnische, multireligiöse und heterogene Gefolgschaft von post-nomadischen militärischen Angehörigen in eine disziplinierte Führungsschicht zu verwandeln und eine "separate Identität" zu stiften, führte zu einer strengen Hofetikette. Der Verfasser erläutert die neuen Strukturen auf institutioneller, fiskalischer wie auch auf privater Ebene: von straffer Disziplin, über Zeitmanagement bis hin zum massvollen Umgang mit Genussmitteln. Dabei weist Wink auf die vorbildliche Rolle des Herrschers hin.

Inwieweit war das Mogulreich zentralisiert? Was waren die Gründe seines Niedergangs? Diese Fragen stellt Wink eingangs des 6. Kapitels, wobei er sich allerdings mit einer eindeutigen Beantwortung zurückhält; er weist dabei auf die komplexe Quellenlage hin. So fehlen beispielsweise die für eine Interpretation so wichtigen Originalsteuerregister aus der Herrschaftszeit Akbars - die vorhandenen Quellen liefern nur wenige Informationen und sogar widersprüchliche Zahlen.

Weiterhin nimmt Wink Stellung zum bisherigen Forschungsstand, nach dem Akbar häufig von Historikern als der eigentliche Architekt des Mogulreiches und als geniales Organisationstalent gesehen wird, und erklärt solche Wertungen als zumindest teilweise irreführend. Akbars Verdienst habe vielmehr darin gelegen, dass er bereits vorhandene Ideen systematisiert, überdacht und dann modifiziert in die Tat umgesetzt hätte. Die Ideen und Vorstellungen in Bezug auf die geographisch bedingte und administrative Infrastruktur sowie das Währungssystem ließen sich nicht allein auf Bābur und Humāyūn zurückführen, sondern stellten ein Amalgam dar, dessen Vorläufer in indo-islamischen und auch turko-mongolischen Herrschaftstraditionen und -institutionen wurzelten. Das Rang- und Besoldungssystem (manṣabdār) habe sich gleichfalls an früheren Herrschern der afghanischen Lōdī-Dynastie orientiert. Damit befindet sich Wink auf einer Argumentationslinie, die auch von anderen Mogul-Forschern gezeichnet wird. [2]

Im vorletzten Abschnitt der Studie geht der Autor auf Akbars religiöse und intellektuelle Anschauungen ein und zeigt sein Bestreben, zwischen heterogenen Religionen und Religionsgemeinschaften des indischen Subkontinents eine anerkannte, umfassende Religionspolitik einzuführen. [3] Anfänglich zeigte sich Akbar als treuer Anhänger des sunnitischen Islams, wobei er eine deutliche Neigung zu den Mystikern der in Indien weit verbreiteten Čištiyya hatte. Wink berichtet anhand von Überlieferungen, allen voran die der jesuitischen Missionare und Badā'ūnīs Muntaḫab ut-tawārīḫ, von Akbars augenscheinlicher Abwendung vom Islam. Der Annahme, dass die Beeinflussung des Herrschers durch die Hindus bei Hofe hierbei eine ausschlaggebende Rolle spielte und die Dīn-i ilāhī (Göttliche Religion) aus rein politischem Kalkül heraus ins Leben gerufen worden sei, erteilt der Verfasser eine strikte Absage.

Schließlich analysiert Wink im letzten Kapitel die Persönlichkeit Akbars: sein Aussehen, seinen Charakter und seinen Umgang mit Verwandten und Untertanen. Hierbei widmet der Verfasser den unzähligen Frauen des Herrschers größere Aufmerksamkeit und schließt das Kapitel mit Ausführungen über die Umstände seines Todes ab.

Insgesamt ist das Werk von André Wink eine bündige und aufschlussreiche Darstellung der Lebensbahn Akbars und der Geschichte des Mogulreiches in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Trotz der Informationsfülle ist es ihm gelungen, in einfacher und verständlicher Sprache sowohl für ein breites Leserpublikum als auch für wissenschaftliche Kreise zu schreiben. In seiner Monographie berücksichtigt Wink den gegenwärtigen Forschungsstand und bettet seine Argumentation geschickt in den wissenschaftlichen Diskurs der Mogulforschung ein. Als eine informative Einführung in die Geschichte des Mogulreiches und eine interessante Lebensdarstellung Akbars ist die Monografie von André Wink durchaus zu empfehlen.


Anmerkungen:

[1] Friedrich August Graf von Noer: Kaiser Akbar: ein Versuch über die Geschichte Indiens im sechzehnten Jahrhundert, 2 Bde., Leiden 1880-1885; Vincent A. Smith: Akbar the Great Mogul, 1542-1605, Oxford 1919; Irfan Habib: Akbar and his India, Delhi 1989; Khaliq Ahmad Nizami: Akbar & Religion, 2. Aufl., Delhi 2009.

[2] Etwa: Stephan Conermann: Das Mogulreich: Geschichte und Kultur des muslimischen Indien, München 2006, 47-48.

[3] Die Bezeichnung "Akbars Religion" Dīn-i ilāhī (oder Tauḥīd-i ilāhī) ist lediglich bei Badā'ūnī vorzufinden. An die Benennungen als eigenständige Religion, einem Orden, reiht sich ebenfalls die Definition von Grobbel "[...] aus dem Islam herauswachsende Religionsform [...] ähnlich dem Drusentum" an, vgl. Gerald Grobbel: Der Dichter Faiḍī und die Religion Akbars, Berlin 2001, 71. Siehe auch seine Auseinandersetzung mit diesem Terminus, ebd., 45-46. Ebenfalls behandelt dieses Thema Heike Franke in ihrer Monographie Akbar und Čahāngīr: Untersuchungen zur politischen und religiösen Legitimation in Text und Bild, Schenefeld 2005, 13-14; 185-250.

Rosa Hartung