Rezension über:

Hans Hauben / Alexander Meeus (eds.): The Age of the Successors and the Creation of the Hellenistic Kingdoms (323-276 B.C.) (= Studia Hellenistica; 53), Leuven: Peeters 2014, XVI + 733 S., ISBN 978-90-429-2958-6, EUR 105,00
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Rezension von:
Dominik Kloss
Historisches Seminar, Universität Hamburg
Redaktionelle Betreuung:
Mischa Meier
Empfohlene Zitierweise:
Dominik Kloss: Rezension von: Hans Hauben / Alexander Meeus (eds.): The Age of the Successors and the Creation of the Hellenistic Kingdoms (323-276 B.C.), Leuven: Peeters 2014, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 3 [15.03.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/03/25486.html


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Hans Hauben / Alexander Meeus (eds.): The Age of the Successors and the Creation of the Hellenistic Kingdoms (323-276 B.C.)

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Neue Perspektiven auf das Zeitalter der Diadochen kündigen Hans Hauben und Alexander Meeus, die Herausgeber dieses 733 Seiten starken Konvoluts, einleitend an. Als Beiträger der zugrundeliegenden Tagung The Age of the Successors (323-276 B.C.) finden sich demgemäß mehrheitlich Vertreter jüngerer und jüngster Forschungen. Mit zwei Dutzend Aufsätzen bildet der Sammelband so nicht nur nahezu vollständig das Programm der vom 25. bis zum 27. September 2008 an der K.U. Leuven sowie der Royal Flemish Academy of Belgium for Science and the Arts Brüssel gastierenden Veranstaltung ab, sondern vereint ein breites internationales Spektrum neuerer, insbesondere althistorischer Arbeiten zu dieser Epoche.

Hinsichtlich der Tatsache, dass der Frühhellenismus nach dem erstmaligen Erscheinen englischsprachiger Übersichtswerke in der letzten Dekade "is now receiving the attention it deserves" (1), versteht sich die nunmehr vorliegende Publikation als erste Station für die Vertiefung bis dato noch weniger erforschter Aspekte dieser Epoche. Solche ließen sich etwa in den Tätigkeitsfeldern der Diadochen auf lokaler Ebene finden, woraus sich ein entsprechendes Postulat ergebe: "We should also remember such activities when looking at the wider picture" (6). Dass ein solcherart thematisch gegliedertes Kompendium vor allem für den angelsächsischen Raum noch fehlt, zeigen eben jene ereignis- wie militärgeschichtlich dominierten Narrative, mit denen die Formierungsphase der hellenistischen Königreiche überwiegend noch gezeichnet wird [1]. Eine diese Tatsache einbeziehende Rezeption des Tagungsbandes dürfte dadurch erleichtet werden, dass neben den übrigen Beiträgen auch den sieben auf Deutsch und drei auf Französisch verfassten kurze englischsprachige Abstracts beigegeben worden sind.

Wie sehr der historische Erkenntnisgewinn über die auf den Tod Alexanders des Großen folgenden Jahrzehnte von einer eingeschränkten Überlieferungslage abhängig ist, wird nicht allein zum Auftakt in der Auseinandersetzung mit der literarischen Quellenbasis thematisiert. Die Problematik, dass es mit dem qualitativ umstrittenen Diodor und den Büchern 18-20 seiner Weltgeschichte letztlich nur eine durchgehende Erzählung dieses Zeitraums gibt, durchzieht praktisch alle Beiträge. Folgerichtig wird der grundlegenden Einordnung des im 1. Jahrhundert v.Chr. wirkenden Historiografen von Michael Rathmann der umfangreichste Aufsatz des Bandes gewidmet (49-113). Darin weist er ernüchternd auf die methodischen Grenzen der Quellenkritik am kompilatorischen Vorgehen Diodors hin: "Im Prinzip sind alle denkbaren Autoren als potentielle Vorlagen für jedes einzelne Buch genannt worden" (52). Die Inanspruchnahme von zeitgenössischen frühhellenistischen Autoren als maßgebliche Quellen für Diodor (wie sie auch hier von mehreren Beiträgern wiederholt versucht wird) sei daher kaum möglich und degradierten das kompakt konzipierte Werk zu Unrecht zu einem "reinen Materialsteinbruch" (94).

Dass ungleichmäßige regionale Gewichtungen sowohl ein Charakteristikum Diodors als auch Strabons sind, verdeutlicht zudem Johannes Engels (9-31). Die weitgehende Ignoranz der 'oberen' Satrapien bei dem augusteischen Geografen "verkennt die Schlüsselbedeutung dieses Raumes für die frühhellenistische Epoche" (21) - ein Umstand, der seinen Niederschlag auch in der vorliegenden Publikation findet: Räumlich dezidiert jenseits von Mesopotamien bewegt sich mit Pat Wheatley (501-515) lediglich ein Beitrag.

Daneben hat die (mangelnde) Verfügbarkeit der schriftlichen Quellen offenkundig auch die zeitliche Schwerpunktsetzung der Publikation nachhaltig beeinflusst. So lassen sich - den fragmentarischen Erhaltungszustand Diodors widerspiegelnd - allenfalls kursorisch Details zu Entwicklungen und Phänomenen finden, die nach der Wende zum 3. Jahrhundert v.Chr. datiert werden. Der Zeitraum zwischen der Schlacht von Ipsos 301 v.Chr. und der letztendlichen Etablierung der Antigoniden in Makedonien, welche hier wohl - wenngleich nicht explizit genannt - die auf 276 v.Chr. angesetzte Untergrenze des Betrachtungszeitraumes definieren soll, ist damit im besten Sinne unterrepräsentiert.

Für den Gesamteindruck ähnlich unausgewogen wirkt die sicherlich auch den Interessen der Herausgeber geschuldete Fokussierung einer Vielzahl von Beiträgen auf Ägypten und sein Einzugsgebiet bzw. die Person Ptolemaios' I. Hier lässt sich ein breiter Konsens attestieren, welcher dem Dynastiegründer - gerade in Abgrenzung zu seinen beiden nächsten Nachfolgern - beispielsweise ein größeres respektive früheres Engagement beim Ausbau Alexandrias (Adam Łukaszewicz, 189-205) und der weitsichtigen Durchsetzung land-, handels- und geldwirtschaftlicher Reformen (Margarita Lianou, 379-411) zugesteht. Ähnlich sehen es Donata Schäfer, die Ptolemaios schon als Satrap eine eigenständige und von herrschaftlichem Vokabular geprägte Interaktion mit den lokalen Eliten bescheinigt (441-452), und Sandra Scheuble-Reiter mit ihrer Rekonstruktion der Bedeutung verschiedener Kavallerieformationen innerhalb des frühhellenistisch-ägyptischen Verwaltungsalltages (475-500). Die Studie der Letzteren zeigt darüber hinaus anschaulich, wie die Auswertung papyrologischer Quellen zur Klärung von Terminologien und Fragen der sozialen Schichtung beitragen kann: "Im ptolemäischen Ägypten gehörten die mit Kleroi angesiedelten Reiter zu den größten Landbesitzern und die Bedeutung, die sie als Machtstütze für das lagidische Königshaus hatten, zeigt sich ganz deutlich in den zahlreichen Privilegien, welche diese Soldaten genossen" (500).

Darüber hinaus einig sind sich Hans Hauben (235-261), Alexander Meeus (263-306) und Rolf Strootman (307-322) über die Ambitionen Ptolemaios' I., die - eher früher als später - "within a wider strategic scheme, a grander political conception" (258) zu betrachten seien. Mit ihrer mehr oder minder vorsichtig vorgetragenen Ablehnung eines defensiv-pragmatisch, im Sinne einer stabilisierten Teilherrschaft agierenden Ptolemaios wenden sie sich dezidiert gegen eine seit langem tradierte Linie der althistorischen Forschung. Wenngleich die meisten für diese These herangezogenen Quellenstellen sicherlich zu wenig eindeutig sind, um dem Urheber der erfolgreichen Reichsgründung ex post frühzeitig eine auf das Maximum zielende Herrschaftsfassung nahezulegen, bleibt die Feststellung, "that most of Ptolemy's actions taken as symptoms of seperatism, can also be interpreted otherwise" (265) sicherlich auch künftig zu berücksichtigen. Insbesondere erwähnenswert ist daneben Strootmans Augenmerk darauf, dass grundsätzlich alle Diadochen in ihrer Programmatik und Titulatur über das Vorbild Alexanders hinausgehend potentiell auf ältere vorderorientalische Vorstellungen universalistischer Herrschaftsauffassungen rekurriert haben und so die "balance of power" (309) der Satrapien bzw. Teilreiche eher ein faktisch hinzunehmendes Ergebnis war, denn in verminderten Ansprüchen begründet.

Ein weiterer Schwerpunkt des Bandes lässt sich in der Zusammenschau der Beiträge ersehen, die sich im Umfeld des Lamischen Krieges 323/322 v.Chr. sowie des ersten Diadochenkrieges 321/320 v.Chr. bewegen. Wenngleich gerade für diese Jahre die auf Diodor basierende Chronologie Gegenstand einer anhaltenden Forschungskontroverse ist, der auch an dieser Stelle zwei Aufsätze gewidmet sind (Franca Landucci Gattinoni, 33-48 sowie Brian Sheridan, 115-133), profitieren die Darstellungen doch merklich von der vorhandenen Parallelüberlieferung. Für Graham Wrightson (517-535) und seine Rekonstruktion der Abfolge respektive Lokalisierung der Seeschlachten des Jahres 322 v.Chr. ist die Einbeziehung Arrians und einiger Viten Plutarchs in Kombination mit epigrafischen Zeugnissen ebenso wichtig wie für Shane Wallace (599-629). Dessen detaillierte Zeichnung der athenischen Instrumentalisierung des Gesandten Euphrons von Sikyon als posthumen "democratic hero" (621), gesehen im größeren Zusammenhang der Auseinandersetzung zwischen Polyperchon und Kassandros, zählt inhaltlich wie formal zu den überzeugendsten des Bandes.

Auf ähnlich lesenswerte Weise hat Joseph Roisman (455-474) sein Vorhaben "to look at Perdikkas's invasion from the perspective of Alexander's veterans who served in his army rather than follow the well-trodden sholarly path of focussing on the rival generals and their ambitions" (456) umgesetzt.

Derartige Perspektiven jenseits der Feldherrenhügel-Horizonte, wie sie etwa auch Angelos Chaniotis in den letzten Jahren eingenommen hat [2], dürften dabei als souveräne Fortführung der Keegan School gelten und gerade für die Epoche der Diadochenkriege noch vermehrt weiterführende Fragestellungen generieren.

Eine Betrachtung des Frühhellenismus in gebotener Distanz zu den königlichen Protagonisten und den von ihnen abhängigen Quellen ist insgesamt nicht allen Beiträgern gelungen und für einen umfassenden thematischen Überblick hätte man sich noch den Einbezug anderer regionaler wie auch die Behandlung weiterer struktureller Phänomene gewünscht. Ebenso hätte der in vielen Einzelbeiträgen nachzuvollziehende Entschluss, die zweieinhalb Jahrzehnte zwischen 301 und 276 v.Chr. grundsätzlich zu vernachlässigen, es verdient gehabt, einleitend stärker hervorgehoben zu werden.

Dessen ungeachtet gewinnt man mit dem vorliegenden Band einen breitgefächerten Eindruck einer abwechslungsreichen Epoche, in der sich das Verhältnis zwischen großen politischen Entscheidungen und lokalen Geschehnissen als ein durchaus ambivalentes erweist.

Gerade für den unmittelbar auf das Jahr 323 v.Chr. folgenden Zeitraum und die frühe Formierung des Ptolemaierreiches werden hier vielfältige Befunde zusammenstellt, die, durch verschiedene analytische Zugänge erschlossen, sicherlich als diejenigen Impulse für thematische Studien wahrgenommen werden, als die sie angestrebt worden sind.


Anmerkungen:

[1] Zuletzt etwa Edward M. Anson: Alexander's Heirs. The Age of the Successors, Hoboken 2014.

[2] Angelos Chaniotis: War in the Hellenistic World. A Social and Cultural History (= Ancient World at War), Oxford 2005.

Dominik Kloss