Rezension über:

Jefferson Adams: Strategic Intelligence in the Cold War and Beyond (= The Making of the Contemporary World), London / New York: Routledge 2015, XII + 166 S., ISBN 978-0-4157-8207-4, GBP 21,99
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Rezension von:
Armin Wagner
Berlin
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Empfohlene Zitierweise:
Armin Wagner: Rezension von: Jefferson Adams: Strategic Intelligence in the Cold War and Beyond, London / New York: Routledge 2015, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 7/8 [15.07.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/07/26346.html


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Jefferson Adams: Strategic Intelligence in the Cold War and Beyond

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Spionage, so zitiert Jefferson Adams den ehemaligen CIA-Chef Allen W. Dulles, sei "probably the least understood and the most misrepresented of the professions" (2). Der anglo-amerikanischen Forschung und Lehre ist allerdings nicht vorzuwerfen, sich dieser Profession nicht entschieden zugewandt zu haben: "Intelligence Studies" - angesiedelt zwischen Geschichts-, Politik- und Kulturwissenschaften, mit Anleihen bei der Jurisprudenz und der Ethik - sind dort ein etabliertes akademisches Feld. Der Ausstoß an Monografien und Sammelbänden in den USA und in Großbritannien ist hoch, hinzu kommen spezialisierte Zeitschriften. [1] Entsprechend gibt es auch einen regelmäßigen Bedarf an Einführungen oder Synopsen zur Geschichte von geheimen Nachrichtendiensten. Einen solchen Überblick bietet Adams, der an dem renommierten Sarah Lawrence College bei New York lehrt, für die Zeit von 1945 bis in das Jahrzehnt nach der Auflösung des Warschauer Paktes und der Sowjetunion.

Entsprechend dem Konzept der Reihe "The Making of the Contemporary World" ist das Buch als schlanke Darstellung für Studierende konzipiert. Es stützt sich vor allem auf die umfangreiche englischsprachige Literatur, nicht auf eigene Forschung. Auch gibt es keine starke These und keine tiefere Reflexion über Charakter, Merkmale und Besonderheiten von Geheimdiensten, sondern hauptsächlich einen narrativen Durchlauf (in den drei Kapiteln "The Early Years", "The Struggle Deepens" und "The Climax of the Cold War") durch die Geschichte von CIA und KGB, Mossad und Stasi sowie weiteren Akteuren, mit einem klaren Schwerpunkt auf der amerikanischen und sowjetischen Seite. Vorab werden die wichtigsten Dienste kurz dargestellt ("The Players"). In einem letzten Abschnitt ("The Aftermath") wird recht ausführlich auf die Auflösung und die Neugründung der Dienste (oder im Kern ihrer Fortführung unter geändertem Namen) nach Ende des Kalten Krieges in Russland und den osteuropäischen Staaten eingegangen sowie knapp auf die Auswirkungen auf die CIA. "9/11" und die Folgen spielen "beyond" keine Rolle mehr.

Das Buch nennt viele Namen, die zu erwarten sind (unter anderen Igor Gusenko, Elizabeth Bentley, Whittaker Chambers, Alger Hiss, die Rosenbergs, Klaus Fuchs, die Cambridge Five, George Blake, Oleg Penkowski, Oleg Gordiewsky, Aldrich Ames); andere fehlen oder erscheinen nur in der abschließenden Chronologie (etwa Anatoli Golizyn, Viktor Lessiovski, Juri Nosenko, John Walker, William Weisband). Der langjährige und hochrangige CIA-Informant Dmitri Poljakow, General des sowjetischen Militärgeheimdienstes GRU, hätte etwas mehr Aufmerksamkeit erfahren können. Die bekanntesten vormals geheimen Operationen finden Erwähnung: VENONA, CORONA, GOLD/STOPWATCH, MOONGOOSE und RYAN zum Beispiel. Ob die CIA unmittelbar in den Putsch gegen Salvador Allende involviert war, ist nach wie vor nicht gesichert, dass sie im Hintergrund darauf hingearbeitet hat, gut dokumentiert; aber dass sie von den Ereignissen des 11. September 1973 überrascht wurde, wie Adams meint, ist nicht anzunehmen (49). Für eine inhaltliche Hinführung ist der Band insgesamt geeignet und gut lesbar; gelegentlich wird auch der thematisch Vertraute noch überrascht (Hede Massing und Ion Pacepa wären nicht unbedingt zu erwarten gewesen; und die "Miss KGB" Katja Majorowa war fast schon vergessen). Was daran aber nun "strategisch" ist, wie der Titel nahelegt, bleibt etwas unklar.

Besonders lesenswert sind die beiden zwischen die Chronologie geschobenen Kapitel: eines über die Profile ausgewählter Spione (das Ehepaar Guillaume; der FBI-Agent Robert Philip Hanssen, noch vor Ames und Walker wohl der größte bekannte Verräter im amerikanischen Sicherheitsapparat; und Ryszard Kuklinski, hochrangiger polnischer Offizier und CIA-Spion); das andere über Spionage als Sujet von Roman und Film. Die Auswahl der Spionageromane beginnt bei den englischen Klassikern lange vor dem Kalten Krieg (Erskine Cilders, William Le Queux, John Buchan, Eric Ambler) und führt entlang des Kanons über Fleming/Bond zu John le Carré und Frederick Forsyth. Immerhin kommt der ewig im Schatten von le Carré stehende Len Deighton zu seinem Recht. Für die amerikanische Genreliteratur steht hier Tom Clancy; James Gradys Maßstäbe setzende Die sechs Tage des Condor fehlt ebenso wie Robert Littell. Dafür wird Julian Semjonow gewürdigt, der mit seinem Agenten Maxim Isajew (alias Max Otto von Stierlitz) die sowjetische Antwort auf Her Majesty's 007 lieferte. Spionage, so lässt sich dieser Einschub gut begründen, ist in der Realität meistens geheim oder hat den Anspruch es zu sein, in der Populärkultur dagegen ist sie fast omnipräsent.

Eine echte Studieneinführung hat Adams nicht vorgelegt, denn es fehlen ausführlichere Hinweise für Studierende etwa auf Quellen und Archive, auf den Stand der Forschung und die einschlägigen Journale sowie auf Studiengänge und Institute, die sich mit "Intelligence" beschäftigen. Einige Irrtümer haben sich im Text eingeschlichen. [2] Auch werden methodische Überlegungen oder Ausführungen zu den moralisch-ethischen und rechtlichen Dilemmata nachrichtendienstlicher Tätigkeit, die in den "Intelligence Studies" ihren festen Platz haben, ausgespart. Allerdings ist, mit Blick auf die deutsche Literatur, bei aller Kritik Zurückhaltung angebracht, fehlt hierzulande doch gegenwärtig eine entsprechende handliche Übersicht nicht nur zur Geschichte der Nachrichtendienste im Kalten Krieg, sondern auch zu den Herausforderungen und Ressourcen einer Erforschung dieser Geschichte. [3]


Anmerkungen:

[1] Intelligence and National Security sowie International Journal of Intelligence and CounterIntelligence, beide seit 1986, sowie Studies in Intelligence, seit 1955 von der CIA selbst herausgegeben (in einer offenen und einer klassifizierten Inhouse-Version). Das Journal of Intelligence History (seit 2001) und das Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies (seit 2007) haben dagegen ihre Wurzeln im deutschsprachigen Raum, werden aber angesichts der Forschungslandschaft in englischer Sprache publiziert. Horch und Guck hat seit 1992 einen Schwerpunkt auf DDR und MfS sowie den ehemals kommunistische Staaten Osteuropas.

[2] Beispiele: Hauptverwaltung A, nicht Hauptverwaltung Aufklärung (14); Heinz, nicht Hans Felfe (17); Unitarian Service Committee, nicht Unitarian Friends Service (35); Montagnards, nicht Monagnards (51); Aufhebung des Kriegsrechts in Polen im Juli 1983, nicht Juli 1993 (107).

[3] Vgl. inhaltlich als bester deutscher Ersatz in Ermangelung einer Monografie: Wolfgang Krieger: Geschichte der Geheimdienste. Von den Pharaonen bis zur CIA, München 2009 (3. Aufl. 2014), hier 13-19 u. 250-322; als knappe Einführung in Form eines politischen Sachbuchs allgemein Kai Hirschmann: Geheimdienste (= wissen 3000), Hamburg 2004.

Armin Wagner