Rezension über:

Cornel Zwierlein: The Political Thought of the French League and Rome 1585-1589. De justa populi gallici ab Henrico tertio defectione and De justa Henrici tertii abdicatione (Jean Boucher, 1589) (= Cahiers d'Humanisme et Renaissance; No. 131), Genève: Droz 2016, 274 S., ISBN 978-2-600-01927-9, EUR 36,97
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Rezension von:
Alexandra Schäfer-Griebel
Institut für Europäische Geschichte, Mainz
Redaktionelle Betreuung:
Peter Helmberger
Empfohlene Zitierweise:
Alexandra Schäfer-Griebel: Rezension von: Cornel Zwierlein: The Political Thought of the French League and Rome 1585-1589. De justa populi gallici ab Henrico tertio defectione and De justa Henrici tertii abdicatione (Jean Boucher, 1589), Genève: Droz 2016, in: sehepunkte 16 (2016), Nr. 11 [15.11.2016], URL: https://www.sehepunkte.de
/2016/11/29040.html


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Cornel Zwierlein: The Political Thought of the French League and Rome 1585-1589

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Cornel Zwierleins Monografie ist dem politischen Denken der katholischen Liga in Frankreich während der Französischen Religionskriege gewidmet. Von einem zentralen Text von 1589 ausgehend beschäftigt sich Zwierlein auf knapp 200 Seiten mit dem verfassungspolitischen Denken der Liga in der konkreten politischen Situation von 1589 (Kapitel 1) und zeichnet zentrale intellektuelle Traditionslinien (Kapitel 2) nach. Ein europäischer Ausblick auf die Zeit nach 1589 schließt sich an (Kapitel 3).

Die dicht geschriebene, an Quellenzitaten und Details reiche Argumentation weist Zwierlein als guten Kenner der politischen Diskurse zur Zeit der Religionskriege aus. Bereits seine 2006 erschienene Dissertationsschrift "Discorso und Lex Dei" widmete er der Ideen-, Transfer- und Kommunikationsgeschichte der Französischen Religionskriege. [1] In diese Felder ordnet sich auch die vorliegende Studie ein.

Zunächst einmal (Kapitel 1) ist Zwierleins Studie eine Textgeschichte der bekannten Druckpublikation "De justa Henrici tertii abdicatione" (August 1589), welcher die frühere Manuskriptfassung des Texts "De justa populi Gallici ab Henri IIIº defectione" (März 1589) zur Seite gestellt wird. Nachdem König Heinrich III. den Mord an den Brüdern Guise (23. / 24. Dezember 1588) angeordnet hatte, erklärte die Sorbonne am 7. Januar 1589, dass der Treueid der Untertanen gegenüber dem König aufgehoben sei. Für den Papst ließ die Sorbonne eine Begründung zu ihrer Erklärung in dem Manuskript "De defectione" ausarbeiten. Bislang wurde das Manuskript keiner umfassenden Analyse unterzogen. Zwierlein argumentiert dafür, den Text gerade in der Manuskriptfassung als "constitutional founding document" (179) zu verstehen. Dessen Bedeutung lässt sich aus der unmittelbaren politischen Situation 1589 herleiten: Ab Februar 1589 konstituierte sich eine nicht-monarchische Regierung in Frankreich unter dem Herzog von Mayenne. Mayenne und der Allgemeine Rat der Liga vereinnahmten den Text "De defectione" als politische Selbstdarstellung und verfassungspolitische Legitimierung gegenüber dem Papst in Rom. Daran anschließend deutet Zwierlein auch die Druckpublikation "De abdicatione" primär als überindividuelle Erklärung der Sorbonne und als Text zum verfassungspolitischen Selbstverständnis der Liga und relativiert damit die - in der Forschung stark diskutierte - Autorenschaft Jean Bouchers. Zwierlein kann vorführen, dass mit "De defectione" eine von zentralen Liga-Institutionen approbierte ausgearbeitete Theorie zu Heinrich III. als Tyrannen und zum Tyrannenmord noch vor der Ermordung Heinrichs III. am 1. August 1589 vorlag. Dies ist eine wesentliche Ergänzung zum bisherigen Forschungsstand, aber den "missing link" zum Königsmörder Jacques Clément kann freilich auch Zwierlein nicht liefern.

Aus der Textgeschichte wird deutlich, dass sich die Zuweisung zentraler Liga-Institutionen an den Text als quasi-offizielles verfassungspolitisches Dokument insbesondere in den Verhandlungen der Liga in Rom fassen lässt. Das politische Denken der Liga soll daher im "internationalen" Rahmen untersucht werden, wobei "international" hier vor allem die binale Beziehung führender französischer Ligisten und der päpstlichen Kurie meint. Zwierlein verweist zu Recht auf die allgemeinere Tendenz in der Forschung zu den Religionskriegen, die nationalgeschichtliche französische Perspektive zu erweitern. [2] Umso mehr wäre auch eine breitere Diskussion der jüngst vielfach transnational angelegten medien- und kommunikationsgeschichtlichen Forschung zu den Religionskriegen zu wünschen. Zwierlein nennt hier nur das ältere Standardwerk von Denis Pallier. [3]

Im Kapitel 2 erläutert er, wie die Liga ihr verfassungspolitisches Denken aus der Tradition der Schule von Salamanca entwickelte. Damit setzt er sich von der Forschung ab, die William Barclay darin folgt, dass Jean Boucher als Autor das Denken der calvinistischen Monarchomachen großteils plagiiert oder bestenfalls fortgeführt habe. [4] Zwierleins Hinterfragen des gewohnten Blicks auf teils sehr bekannte Quellen macht die Lektüre spannend. Für Nichtspezialisten ist es aber nicht immer leicht, dem dicht geschriebenen Text, den detailgespickten Exkursen und der komplexen Argumentation zu folgen. Hier, in Kapitel 2, stellt Zwierlein zunächst einzelne Phasen vor, in denen sich zwischen 1585 und 1589 intellektuelle Traditionslinien im verfassungspolitischen Denken der Liga abzeichneten. Vor allem den Thomismus in der Tradition der Schule von Salamanca sieht er als Inspirationsquelle der ligistischen Texte. Auch das kanonische Recht, in teils papstnaher, teils konziliaristischer oder gallikanischer Prägung, war bedeutsamer für das Denken der Liga als späthumanistische und zivilrechtliche Traditionen, so Zwierlein. Dank der ausführlichen Hinleitung zu "De defectione" wird deutlich, dass die Widersprüchlichkeiten in diesem Text aus den vielfältigen Argumentationsvorlagen resultierten. Deren Auswahl war durch die konkrete politische Situation 1589 bedingt: "because the League was still in a very precarious position and the pope was needed as a political ally, [...], papalism re-entered the text" (119).

Zwierlein widmet sich dann drei Themenkomplexen, der Ermächtigung des Volkes, Heinrich III. als Tyrann und dem Tyrannenmord und der Notwendigkeit unmittelbaren Handelns. Für diese drei Themenkomplexe arbeitet er in detaillierten Analysen Aufnahme und Zusammenstellung der verschiedenen Traditionsstränge aus "De defectione" heraus. Dabei führt er auch vor, dass die Theorie vom Doppelvertrag, die ein Kernstück des calvinistisch-monarchomachischen Denkens bildete, in der ligistischen Argumentation nicht aufgenommen wurde (129). Auf dieser Grundlage appelliert Zwierlein, das Spezifische der ligistischen Denkweise stärker zu akzentuieren, was aufgrund der bisher in der Forschung betonten Traditionslinie von den calvinistischen zu den katholisch-ligistischen Monarchomachen nicht deutlich genug geschehen sei.

Der Abschnitt zum Kapitel Heinrich III. als Tyrann und zum Tyrannenmord ist im Anhang als Begleitmaterial ediert. Dass der Text nur in Auszügen ediert ist, ist bedauerlich, merkt Zwierlein doch eingangs zu Recht an, dass für diesen wichtigen Text bislang eine kritische Edition fehle (7). Aber Zwierlein liefert eine ausführliche Beschreibung der Handschriften mit detaillierten Angaben zu Schreiber, Entstehungskontext und Provenienz. Für die textkritisch aufbereitete Edition des lateinischen Textes wurden alle Ausgaben, die den vollständigen zeitgenössischen Text beinhalten, berücksichtigt. Daneben erschließen Sachanmerkungen mit teils ausführlichen Kommentaren zur Textgenese den edierten Ausschnitt. Eine englische Übersetzung erhöht die Nutzerfreundlichkeit zusätzlich.

Nachdem Zwierlein das verfassungspolitische Denken der Liga in der konkreten politischen Situation 1589 (Kapitel 1) und zentrale intellektuelle Traditionslinien (Kapitel 2) aufgezeigt hat, gibt er in Kapitel 3 einen Ausblick. Auf das politische Denken und Handeln der Liga in der französischen Situation 1589 bezogen reflektiert er über Auswirkungen, Parallelen und Rezeptionsprozesse in verschiedenen europäischen Ländern nach 1589 und gibt selbst Anregungen, wie seine Studie im "internationalen" Kontext fortgeschrieben werden könnte (z.B. 174).

Zwierlein stellt ein anspruchsvolles, teils provokant formuliertes Programm vor, dem er überzeugend folgt. Zwar fordert der komplexe sprachliche Stil den Leser, doch lohnt sich die Lektüre wegen des ungewöhnlichen, neuen Blicks auf das politische Denken der Liga. Die Lektüre von "The Political Thought of the French League and Rome (1585-1589)" empfiehlt sich in jedem Fall, insbesondere für alle, die zur Ideen-, Transfer- und Kommunikationsgeschichte der Religionskriege arbeiten.


Anmerkungen:

[1] Cornel A. Zwierlein: Discorso und Lex Dei. Die Entstehung neuer Denkrahmen im 16. Jahrhundert und die Wahrnehmung der französischen Religionskriege in Italien und Deutschland (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften; Bd. 74), Göttingen 2006. Hier kündigte Zwierlein bereits das Vorhaben einer Edition der Handschrift an, vgl. 531, Anm. 708.

[2] Für die vielen übergreifenden Studien der letzten Jahre, nenne ich nur exemplarisch Robert Descimon / José Javier Ruiz Ibáñez: Les ligueurs de l'exil. Le refuge catholique français après 1594, Seyssel 2005.

[3] Denis Pallier: Recherches sur l'imprimerie à Paris pendant la Ligue (1585-1594) (= Histoire et civilisation du livre; Bd. 9), Genf 1975.

[4] So z.B. David A. Bell: Unmasking a king. The political uses of the popular literature under the French Catholic League, 1588-1589, in: The sixteenth century journal; Bd. 20, III (1989), 371-386, hier 385.

Alexandra Schäfer-Griebel