Rezension über:

Rafael Hidalgo Prieto : Las villas romanas de la Bética, Sevilla: Secretariado de Publicaciones, Universidad de Sevilla 2016, 2 Bde., 821 S., ISBN 978-84-472-1861-5
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Rezension von:
Beate Brühlmann
Fachbereich III - Klassische Archäologie, Universität Trier
Redaktionelle Betreuung:
Sabine Panzram
Empfohlene Zitierweise:
Beate Brühlmann: Rezension von: Rafael Hidalgo Prieto : Las villas romanas de la Bética, Sevilla: Secretariado de Publicaciones, Universidad de Sevilla 2016, in: sehepunkte 18 (2018), Nr. 5 [15.05.2018], URL: https://www.sehepunkte.de
/2018/05/31091.html


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Rafael Hidalgo Prieto : Las villas romanas de la Bética

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Das zweibändige Werk über die Villen der Hispania Baetica ist aus zwei Forschungsprojekten der Jahre 2012-2014 an der Universität Pablo de Olavide de Sevilla unter der Leitung von Rafael Hidalgo hervorgegangen. Die umfangreichen Bände, die Beiträge von 86 Wissenschaftlern enthalten, umfassen insgesamt 1479 Seiten und sind mit zahlreichen, durchgehend qualitätvollen Schwarz-Weiß-Fotos, Zeichnungen und Tabellen versehen. Im ersten Band werden in 18 Aufsätzen verschiedene die baetischen Villen betreffende Aspekte behandelt, der zweite Band besteht aus dem für die Analyse zu Grunde liegenden Villenkatalog. Die ausführlichen Katalogtexte enthalten jeweils die Forschungsgeschichte, Befundbeschreibung, Datierungs- und Interpretationsvorschläge sowie eine Bibliographie.

Die im Katalog aufgenommenen 104 Villen liegen innerhalb der Grenzen der autonomen Region Andalusien und nicht, wie es der Titel vorgibt, in der römischen Provinz Baetica. Ein wichtiger Grund dafür war die Machbarkeit des Unterfangens, das innerhalb einer Autonomie wesentlich bessere Aussichten auf Erfolg hatte und bürokratische Hindernisse minimierte. Denn für die Projekte wurden nicht nur die Grabungsberichte des Anuario Arqueológico de Andalucía ausgewertet, sondern, da dieser nur bis 2006 zur Verfügung stand, in den jeweiligen Provinzbehörden des andalusischen Kultusministeriums die bisher unpublizierten Grabungsaktivitäten zusammengetragen.

Der enorme Zuwachs an Informationen beruht wesentlich auf dem spanischen Bauboom sowie dem Straßen- und Schienenausbau der letzten 20 Jahre, die in den Außenbezirken vieler Städte zur Aufdeckung antiker Siedlungsstellen führten. Die größte Befunddichte gibt es deshalb in den Provinzen Málaga, Granada und Sevilla, die Provinzen Almería und Huelva sind hingegen kaum bis gar nicht vertreten. Es werden also in erster Linie nicht langjährige Forschungsprojekte vorgestellt, sondern kurzfristige Notgrabungen, die zur ausschnitthaften Freilegung von Villen und Produktionszentren geführt haben.

Von insgesamt 582 Anlagen, für die in einer Datenbank auch im Hinblick auf künftige Forschungen vielfältige Informationen gebündelt wurden (781-795), waren nur 282 lokalisierbar. Für den publizierten Katalog wiederum wurden diejenigen Anlagen ausgewählt, die genügend Informationen bezüglich ihrer Architektur und ihres Aufbaus lieferten. Zu diesen Villen zählen längst bekannte Anlagen wie Faro de Torrox (Málaga) oder El Ruedo (Córdoba) ebenso wie die neu entdeckten Anlagen von Solacor I (Córdoba), El Laurel (Granada) oder Cerro de los Vientos IX (Jaén). Siedlungsstellen, auf die lediglich Oberflächenfunde hinwiesen, wurden sinnvollerweise nicht aufgenommen.

Im Bewusstsein, dass eine Villendefinition weit gefasst bleiben muss und auch andere Deutungen für die Siedlungsstellen in Frage kommen, legt Rafael Hidalgo in der Einführung (17-25) mit der Definition "un establecimiento extramuros, con connotaciones residenciales y productivas, que constituye en sí misma una innovación propia y característica del mundo romano" (22) den Rahmen und die benötigte Basis, auf der die Forschungsfragen des Bandes aufbauen.

Der erste Beitrag (27-37), von José Remesal, führt in die wirtschaftliche Bedeutung der Baetica ein, die ab der augusteischen Zeit zu einem Hauptexporteur für Olivenöl wurde. Die daraus resultierende landwirtschaftliche Umgestaltung der Provinz zeichnet sich nun nicht nur im Dreieck Sevilla - Córdoba - Écija sondern auch im Raum Jaén immer stärker ab. Doch betont Remesal, dass erst künftige Forschungs- und Grabungsprojekte im Umland der Villen Fragen nach der Parzellierung des Landes, der Größe der Grundstücke oder der Unterbringung der Arbeiter während der Ernte klären können.

María del Carmen Moreno und David Wheatley beschäftigen sich mit der Auswertung der Villendatenbank (39-67). Dabei gehen die Autoren auf die Probleme bei der Interpretation des höchst heterogenen Datenmaterials ein. Felix Teichner stellt den Nutzen der neuen Datenbank in seiner landschaftsarchäologischen Untersuchung zu den Nekropolen der Villen und Gehöfte (551-574) heraus. So lassen sich beispielsweise die Gräber mit den Zufahrtswegen zu den Villen in Verbindung bringen und dadurch viae sepulchrales auf dem Land nachweisen.

In drei Beiträgen werden die Villen nach ihren unterschiedlichen Standort- und Wirtschaftsfaktoren untersucht. Sie erörtern die Eigenheiten der meerseitig gelegenen Villen (69-92), der landwirtschaftlichen Betriebe im Landesinneren (93-113) und der suburbanen Villen (115-174). Bei den an den Küsten gelegenen Villen ist dabei die Gegend um Málaga besonders gut dokumentiert. Das zeigt auch der Beitrag von Darío Bernal und Pilar Corrales zu den cetariae, salinae und vivaria. Die Autoren sprechen sogar von einem "modelo malacitano" (324) der dortigen Meervillen, bei dem das fischverarbeitende Gewerbe und die Abfüllung der Produkte - nachgewiesen durch die Töpferöfen - eng miteinander verflochten sind. Allerdings bleibt abzuwarten, ob tatsächlich von einem Modell gesprochen werden kann, oder ob sich diese Besonderheit durch künftige Entdeckungen andernorts relativieren wird.

Nicht nur die Einbindung in die staatliche Lebensmittelversorgung sondern auch die große Städtedichte wirkte sich auf die ländliche Siedlungsstruktur der Baetica aus. Gerade in den ersten beiden nachchristlichen Jahrhunderten dominieren Hofanlagen ohne repräsentative Wohnbereiche, wie Margarita Orfila betont. Erst im 3. und 4. Jahrhundert kommt es zu einem Ausbau der Landsitze. Auch Manuel Buzón kommt bei den suburbanen Villen ausgewählter Städte zu dem Ergebnis, dass eine 'Monumentalisierung' erst ab dem 3. Jahrhundert zu beobachten ist.

Die daran anschließenden fünf Beiträge beschäftigen sich mit Detailstudien zu einzelnen Gebäudetrakten oder Produktionsstätten, namentlich den repräsentativen Wohnbereichen (175-247), den Thermen (249-281), den Getreidespeichern, Weinkeltern und Ölmühlen (283-322), den Fischbecken (323-343) oder den Töpfereien (345-387). Auch hier werden Besonderheiten der senatorischen Provinz herausgearbeitet. Rafael Hidalgo analysiert die unterschiedlichen repräsentativen Architekturen und stellt die große Bedeutung von Atrien für die hiesigen Villen heraus sowie das Fehlen der sonst in der Spätantike verbreiteten Apsidensäle. Um etwa 30 Badeanlagen ist die Anzahl bekannter Villenthermen seit der Fertigstellung der Dissertation von Virginia García-Entero [1] gestiegen. Unter den neuen Anlagen, die García-Entero mit eigenen Rekonstruktionsvorschlägen präsentiert, schließen die vollständig freigelegten Thermen wie die von Herrera (Kat. 100) eine Lücke und zeigen in ihrer Typologie eine parallele Entwicklung zu den beiden anderen hispanischen Provinzen.

In einer weiteren Gruppe von Beiträgen werden die Bautechnik (389-418) sowie der musivische (419-441), architektonische (443-461), plastische (463-490) und malerische Raumschmuck (491-550) vorgestellt, womit einmal mehr der Reichtum der Provinz veranschaulicht wird. Hervorzuheben ist der umfangreiche Beitrag von Alicia Fernández-Díaz zu den Wandmalereien, von denen viele noch unpubliziert sind. Gerade für die Beiträge zu den Malereien und Mosaiken wären Farbabbildungen wünschenswert gewesen. Abgerundet wird der Band durch einen Aufsatz zum Ende der Villenkultur seit dem späten 4. Jahrhundert (575-612) sowie zur touristischen Aufbereitung einiger Anlagen (613-651).

Die für die hispanische Villenforschung wichtigen Arbeiten von Jean Gérard Gorges [2] und María Cruz Fernández Castro [3] zeigen, wie gering der Kenntnisstand zu den baetischen Villen noch vor 40 Jahren war. Dass eine Einzelperson die entstandene Forschungslücke nicht schließen konnte [4], veranschaulicht der Sammelband, der sich auf das Fachwissen vieler Experten stützt, eindrücklich. Er zeichnet ein detailreiches und vielschichtiges Bild der baetischen Villen, stellt die Forschung auf eine völlig neue Grundlage und wird deshalb auch für weitere Untersuchungen unverzichtbar sein.


Anmerkungen:

[1] Virginia García-Entero: Los balnea domésticos - ámbito rural y urbano - en la Hispania Romana, Madrid 2005.

[2] Jean Gérard Gorges: Les villas hispano-romaines. Inventaire et problématique archéologiques, Paris 1979.

[3] María Cruz Fernández Castro: Villas romanas en España, Madrid 1982.

[4] Alejandro Fornell Muñoz: Las "villae" romanas en la Andalucía mediterránea y del estrecho, Jaén 2005.

Beate Brühlmann