sehepunkte 18 (2018), Nr. 6

Wouter F. M. Henkelman / Céline Redard (eds.): Persian Religion in the Achaemenid Period / La religion perse à l’époque achéménide

Im zu rezensierenden Sammelband Persian Religion in the Achaemenid Period legen Wouter Henkelmann und Céline Redard die Ergebnisse einer von Jean Kellens angeregten, im November 2013 am Collège de France abgehaltenen internationalen Konferenz vor. Ziel des Bandes ist dabei, die Debatte um die Religion im Achaimenidenreich auf den Stand der aktuellen Forschung zu bringen, und zwar sowohl in Hinblick auf die Quellengrundlage wie die fortgeschrittene Interpretation derselben (7). Dieses Unterfangen ist - auch in Anbetracht der offenbar recht problematischen Vorbedingungen der Publikation (9) - sehr begrüßenswert, hat doch das Interesse an der Religion der Achaimeniden beziehungsweise im Achaimenidenreich in letzter Zeit wieder zugenommen [1], wobei der vorliegende Kolloquiumsband sowohl wegen seiner inhaltlichen Ausrichtung als auch auf Grund der explizit zum antiken Iran forschenden Mitwirkenden besondere Beachtung verdient.

Der Band besteht aus einem knappen Vorwort der Herausgeber (7-9) sowie zwölf in Englisch, Französisch und Deutsch gehaltenen thematischen Beiträgen zu unterschiedlichen Facetten der Religionen des gesamten geographischen Raumes des antiken Irans der achaimenidischen Zeit und darüber hinaus, die aus Gründen des Umfangs nicht alle im Rahmen dieser Rezension berücksichtigt werden können.

Da eine programmatische Einleitung der Herausgeber nicht vorliegt, wird der Leser im ersten Beitrag Les Achéménides entre textes et liturgie avestiques direkt in medias res der in ihrer reduziert-zugespitzten Form zu Recht überholten Forschungsdebatte um den Zoroastrismus der Achaimeniden geführt (11-19). Darin benennt der weithin bekannte Avestaexperte Jean Kellens in knapper Form die Fallstricke, die in den vergangenen Jahren vorgebrachte Vergleiche zwischen Aspekten avestischer und achaimenidischer Religion umspannen; ein Caveat, was der Autor bereits vor über 25 Jahren sehr ähnlich formulierte. [2] Er plädiert für die Einordnung der Achaimeniden in den weiteren indoiranischen kulturellen Kontext, verweist auf vorderorientalische Modifikationen ihrer Kultur und sieht künftige Forschungsansätze am ehesten in der in der Analyse ritueller Zusammenhänge.

Alberto Cantera vertieft in seinem profunden Beitrag La liturgie longue en langue avestique dans l'Iran occidental die bereits von Kellens andiskutierten Zusammenhänge (21-67). Unter Verweis auf die 'lange' Liturgie - eine für rituelle Zwecke zusammengestellte und mit Handlungsanweisungen versehene avestische Textsammlung, die über mittelalterliche Manuskripte erhalten ist [3] - sucht er nach Spuren von Avestazitaten im westlichen Iran [24-37]. Im seinem sehr materialreichen Beitrag überprüft der Autor neben den sprachlichen Parallelen auch weitere, in der Literatur diskutierte Anknüpfungspunkte zwischen avestischer und westiranisch-persischer Religion (45-60) und stellt durchaus Gemeinsamkeiten fest. Er betont, die 'lange' Liturgie sei in der Fārs vermutlich bereits in achaimenidischer Zeit bekannt gewesen und stellt darüber hinaus fest, die Bedeutsamkeit Ahuramazdās in der 'langen' Liturgie entspräche seiner Rolle in den altpersischen Königsinschriften. Der künftigen Forschung legt der Autor Fragen rund um die die genaue historische Deutung dieser Zusammenhänge, gerade auch in Bezug auf das Verhältnis der persischen Religion gegenüber der avestischen oder auch derjenigen in den elamischen Verwaltungstexten nahe.

Jan Tavernier legt in Religious Aspects in the Aramaic Texts from Bactria einen Negativbefund für 'zoroastrische' religiöse Praxis in Baktrien vor (97-123). Der Autor überprüft die von den Herausgebern eines 2012 vorgelegten Corpus' aramäischer Verwaltungstexte aus Baktrien betonten, zoroastrisch konnotierten religiösen Aspekte [4] und negiert ihre Aussagekraft für die Frage nach dem implizit mitgedachten Zoroastrismus der achaimenidischen Reichsverwaltung. Die wenigen Hinweise auf die Verwendung des zoroastrischen Kalenders (mit einigen Neulesungen, 98-102), die Zuschreibung eines Opferzuteilungen an Bēl benennenden Textes an Ahuramazdā (als interpretatio Aramaica, 103-110) sowie die Verwendung theophorer Namen reichten laut Tavernier nicht aus, um zoroastrische Kultpraxis innerhalb achaimenidischer Verwaltungstexte aus Baktrien nachzuweisen. Dem ist - vor allem wenn die Hauptlast der Argumentation für die religiöse Ausrichtung der Achaimeniden darauf läge - zwar beizustimmen, allerdings lehrt das Beispiel des PFA einerseits, dass solcherart Verwaltungstexte nicht unbedingt alle Facetten der religiösen Praxis abdecken müssen und andererseits ist die Möglichkeit einer stärkeren Fokussierung auf Ahuramazdā von herrschaftlicher Seite zu bedenken, die nicht zwingend als top-down-Verordnung in allen Reichsteilen gegriffen haben muss.

Auf dieses Problem bei der Betrachtung des aramäischen Archivs aus Baktrien deutet Henkelmann bereits im Vorwort hin (8) und führt es im Anschluss an seine eigene Betrachtung von Humban & Ahuramazdā. Royal Gods in a Persian Landscape (273-346) weiter aus (317-319). Er betont, die offenbar starke Verbundenheit der Achaimeniden, im Speziellen des Dareios, mit Ahuramazdā, führe zur Missdeutung seiner Rolle im Gesamtreich. In den persepolitanischen Verwaltungstafeln sei er weniger prominent vertreten als der elamische, mit dem Königtum assoziierte Gott Humban. Die Verehrung beider Götter durch die Achaimeniden und ihre Administration habe zu der typisch persischen, inklusiven rituellen Praxis geführt und dürfe nicht kontrastiv gedeutet werden. Daneben wendet sich Henkelmann gegen die veraltete und bereits im Rahmen seiner Dissertation dekonstruierte These, das lan-Ritual habe sich an Ahuramazdā gerichtet, [5] und legt zudem textliche Evidenz für Napiriša als Adressat dieses Opfers vor (mit Edition: 320-328, Übersetzung: 274-276 und exzellenten Photographien der en détail besprochenen Täfelchen: 341-346). Insgesamt ergibt sich aus Henkelmanns Darstellung ein vielschichtiges Bild der Religionen des Achaimenidenreiches, das Elemente vorderorientalischen wie iranischen Ursprungs beinhaltet und der Vielschichtigkeit dieser Kultur - jenseits aller Originalitäts- und Reinheitsansprüche - den angemessenen Raum lässt. Der Autor analysiert zudem, scheinbar en passent (290-303), die problematischen Zugänge älterer Forschung mit Blick auf die religiöse wie politische Genese des achaimenidischen Perserreiches und spricht sich dabei für eine stärker theoriegeleitete oder zumindest an die längst angelaufenen Diskurse der Nachbardisziplinen angeschlossene Debatte aus.

Auch Salvatore Gaspa wendet sich in seinem State Theology and Royal Ideology oft he Neo-Assyrian Empire as a Structuring Model for the Achaemenid Imperial Religion überschriebenen Beitrag der Religion der achaimenidischen Könige zu (125-184). Er argumentiert, das Verhältnis zwischen Ahuramazdā und Großkönig, wie es im achaimenidischen status quo greifbar werde, rekurriere auf assyrische Vorbilder. Im Anschluss an zahlreiche von kunsthistorischer bzw. archäologischer Seite beobachtete Motivüberschneidungen, ließen sich in assyrischen und iranischen Inschriften Parallelen etwa für den Dualismus von Wahrheit und Lüge, das vom zentralen Gott stammende herrschaftslegitimierende Mandat, die Konsolidierung des Reichsgebiets sowie die Etablierung des inneren und äußeren Friedens finden (bes. 160-169). Er fordert, die im kulturellen melting pot entstandenen künstlerischen und inschriftlichen Äußerungen als Ergebnisse von Akkulturationsphänomenen zu definieren und den wissenschaftlichen Austausch über Fächergrenzen hinweg zu stärken.

Ein ob seiner geschichtlichen, aber auch religions- und kunsthistorischen Implikationen stark diskutierter Aspekt der iranischen Kunst, die sogenannte Flügelsonne, rückt mit Mark B. Garrisons Aufsatz Beyond Auramazdā and the Winged Symbol (185-246, mit zahlreichen Abbildungen) und Bruno Jacobs' Beitrag Die ikonographische Angleichung von Gott und König in der achaimenidischen Kunst (247-272, mit Photographien) in den Vordergrund. Garrison plädiert auf Grund seiner Analyse der sehr unterschiedlichen auf Siegeln belegten Darstellungen gegen eine uniforme Interpretation der Flügelsonne als Ahuramazdā, während Jacobs wegen der ikonographischen Anpassung des Mannes in der Flügelsonne an den König mit Verweis auf einen älteren Vorschlag befürwortet, darin ein Zeugnis der dynastisch-achaimenidischen Ahnenverehrung zu sehen. Diesen Ahnenkult bringt der Autor mit dem väterlichen bzw. königlichen Zeus der klassischen Quellen (259-261), dem konkretesierbaren dynastischen Gedanken der Achaimeniden (253-259) sowie einem für Xerxes belegten Opfer an den verstorbenen Vater Dareios (258 f.) in Verbindung. Er unterstreicht ferner, und das ist sein stärkstes Argument, dass die Annahme der Darstellung des heros eponymos Achaimenes, gegenüber den plausiblen Vorschlägen in der Flügelscheibe mit oder ohne göttliche Entität etwa die Versinnbildlichung von jav. xvarǝnah oder elam. kitin zu sehen, über eine breitere Belegbasis in den zeitgenössischen Quellen verfügt. Man wird dieser Argumentation nicht in allen Punkten folgen können, gerade für die 'unbemannte' Flügelscheibe scheint xvarǝnah / kitin immer noch eine gute Deutungsalternative, aber bedenkt man die Brisanz der historischen Situation nach der Machtergreifung des Dareios und die legitimierende Funktion der mit dem vieldiskutierten Symbol illustrierten altpersischen Inschriften, gewinnt Jacobs' Interpretation an Überzeugungskraft.

Abschließend gilt es zusammenzufassen: Der vorliegende Sammelband widmet sich einem umstrittenen, mit zahlreichen Axiomen und einer schier unendlichen Literaturdiskussion versehenen Thema. Dabei bringen die interdisziplinär zusammengesetzten Autoren im Rahmen langer Beiträge ihre jeweiligen fachlichen Perspektiven ein und unterziehen auf fruchtbare Weise längst bekanntes, aber auch neues Material einer gründlichen Neubewertung. Bei solch ergebnisoffener Prüfung können nicht immer positive Befunde präsentiert werden, doch gerade die nachvollziehbare und meist sehr quellennahe Analyse verhilft hoffentlich dazu, widerlegte Thesen endgültig zu verabschieden. Doch auch trotz der durchgängig hohen Qualität der Beiträge, bleibt das unterschiedliche theoretisch-methodische Abstraktions- und Reflexionsniveau, gerade in Bezug auf im weitesten Sinne historische Fragestellungen zu konstatieren. Es wäre sehr wünschenswert, wenn auch hinsichtlich der Praktikabilität beinahe utopisch, bei Fragen der Ethnogenese, Akkulturation, Hybridität etc. einen stärker theoriegeleiteten Zugang in die Diskussion um die Religionen des Achaimendienreiches - etwa im Sinne von Corinne Bonnets Interpretation der hellenistischen phönizischen Religion [5] - zu bringen. Auch formal kann der Sammelband überzeugen. So sind die Beiträge sehr gut redigiert. Den längeren Quellenzitaten sind Übersetzungen beigegeben, was den Lesefluss fördert und den Rezipientenkreis ausweitet. Bedauerlich ist jedoch, dass auf Indices verzichtet wurde.

Kurzum, die vorliegende Publikation stellt eine zwar durchaus voraussetzungsreiche, aber unbedingt notwendige und sehr ertragreiche Bestandsaufnahme zu den Religionen im achaimenidischen Perserreich dar. Dieser Sammelband wird künftige Forschung sehr bereichern.


Anmerkungen:

[1] Man vergleiche diesbezüglich etwa den Sammelband D. Edelman / A. Fitzpatrick-McKinley / P. Guillaume (Hgg.): Religion in the Achaemenid Persian Empire, Tübingen 2016; oder Beiträge aus J.M. Silverman / C. Waerzeggers (eds.): Political Memory in and after the Persian Empire, Atlanta 2015.

[2] J. Kellens: Questions prealables, in: La religion iranienne à l'Époque Achéménide. Actes du colloque de Liège 11 decembre 1987, éd. p. J. Kellens, Gent 1991, 81-86, hier 84.

[3] Diese liturgische Textsammlung wird im Rahmen eines Langzeitvorhabens der DFG seit April 2018 unter A. Canteras Ägide als Corpus Avesticum Berolinense ediert.

[4] J. Naveh / S. Shaked: Aramaic Documents from Ancient Bactria (Fourth Century BCE) from the Khalili Collection, London 2012.

[5] W.F.M. Henkelmann: The Other Gods Who Are. Studies in Elamite-Iranian Acculturation. Based on the Persepolis Fortification Texts, Leiden 2008.

[6] C. Bonnet: Les enfants de Cadmos. Le paysage religieux de la Phénicie hellénistique, Paris 2015.

Rezension über:

Wouter F. M. Henkelman / Céline Redard (eds.): Persian Religion in the Achaemenid Period / La religion perse à l’époque achéménide (= Classica et Orientalia; Bd. 16), Wiesbaden: Harrassowitz 2017, 496 S., ISBN 978-3-447-10647-4, EUR 98,00

Rezension von:
Katharina Knäpper
Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik, Universität Wien
Empfohlene Zitierweise:
Katharina Knäpper: Rezension von: Wouter F. M. Henkelman / Céline Redard (eds.): Persian Religion in the Achaemenid Period / La religion perse à l’époque achéménide, Wiesbaden: Harrassowitz 2017, in: sehepunkte 18 (2018), Nr. 6 [15.06.2018], URL: https://www.sehepunkte.de/2018/06/30851.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres letzten Besuchs dieser Online-Adresse an.