Rezension über:

Andrew Mumford: Counterinsurgency Wars and the Anglo-American Alliance. The Special Relationship on the Rocks, Washington, DC: Georgetown University Press 2017, X + 241 S., ISBN 978-1-62616-492-5, USD 34,95
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Rezension von:
Martin Rink
Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Potsdam
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Martin Rink: Rezension von: Andrew Mumford: Counterinsurgency Wars and the Anglo-American Alliance. The Special Relationship on the Rocks, Washington, DC: Georgetown University Press 2017, in: sehepunkte 19 (2019), Nr. 11 [15.11.2019], URL: https://www.sehepunkte.de
/2019/11/32763.html


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Andrew Mumford: Counterinsurgency Wars and the Anglo-American Alliance

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"The special relationship is surely one of the most overindulged yet vacouous phrases in the modern diplomatic lexicon." (1) Provokant beginnt Andrew Mumfords Studie zur Aufstandsbekämpfung (Counterinsurgency) als Indikator für die Special Relationship zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika. Der Autor stellt dieses Diktum Winston Churchills vom März 1946 in Frage, das noch im Jahr 2010 David Cameron bemühte. Vielmehr handelt das Buch von transatlantischer Ranküne, Entzweiung und Rivalität: "At its heart, this is a book of Anglo-American intrigue, fallout, and rivalry." (12)

Die Beziehungen zwischen Großbritannien und den um ihre Unabhängigkeit kämpfenden Vereinigten Staaten begannen mit Rebellion und Aufstandsbekämpfung. Die antikoloniale US-amerikanische Denktradition wandelte sich im aufziehenden Kalten Krieg, als das alte britische durch das neue - informelle - amerikanische Empire abgelöst wurde; antikolonialistische Strömungen gerieten nun rasch in den Ruch des Antikommunismus. Gleichwohl sahen sich die US-Regierungen zu einem diffizilen Balanceakt zwischen machtstrategischen Fragen der Außenpolitik und der Rücksichtnahme auf einflussreiche Pressure groups von US-Amerikanern mit jüdischen, irischen und griechischen Wurzeln gezwungen. Militärisch zeigte die amerikanische Counterinsurgency-Doktrin zyklische Wandlungen: Sie war eingebettet in das globale Wiederaufbauprogramm nach 1945, rückte im Zuge der Nuklearisierung der Strategie in den Hintergrund, wurde unter Präsident John F. Kennedy erneut akzentuiert und im Schatten des Desasters von Vietnam wieder verdrängt, bis sie im globalen Krieg gegen den Terrorismus ab 2006 wiederbelebt wurde.

Dagegen knüpfte sich an die erfolgreiche Counterinsurgency-Operation in Malaya (1948-1960) das Narrativ einer besonderen Qualität britischer Streitkräfte. Diese führten in Palästina einen doppelten Kampf gegen arabische wie jüdische Freiheits- und Unabhängigkeitsbewegungen, wobei sich die Kräfteverhältnisse infolge der verstärkten jüdischen Siedlungsbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg verschoben. Spätestens ab 1947 führte die starke Unterstützung der amerikanisch-jüdischen Wählerschaft für einen jüdischen Staat zur Unterstützung dieses Projekts durch die US-Regierung - gegen die britische Mandatsmacht, deren Counterinsurgency-Kampagne scheiterte. In Britisch-Malaya instrumentalisierten die Briten die amerikanische Kommunistenfurcht durch "subtle political manipulation" (65). Dadurch formte sich das Narrativ einer noch im frühen 21. Jahrhundert als musterhaft geltenden Counterinsurgency-Operation (78). Nahezu dem Vergessen anheim fiel dagegen die gescheiterte britische Aufstandsbekämpfung auf Zypern. Entgegen den Wünschen der griechischstämmigen US-Wählerschaft gab hier die Sicherung der Insel als "intelligence watchtower" für die USA den Ausschlag (96). In Südarabien finanzierte die britische Regierung eine Söldnertruppe, um Einfluss auf den jemenitischen Bürgerkrieg (1963-1967) zu nehmen. Umgekehrt führte die 'anti-westliche' Militärintervention Ägyptens im Jemen zu der Nebenfolge, dass die dort gebundenen militärischen Kräfte im Sechs-Tage-Krieg gegen Israel fehlten. Durch das Aufzeigen solcher Wechselwirkungen zeigt Mumford, wie sehr bereits in der Zeit des globalen Ost-West-Konflikts Nord-Süd-Konstellationen wirkten, die aus westlicher Perspektive erst nach 1989/90 in den Fokus gerieten.

Auch den Vietnamkrieg wertet Mumford als Krise der Special Relationship. Die von Großbritannien nach Vietnam entsandte militärische Beratungsmission unter dem britischen General Robert G. Thompson war eher ein Feigenblatt, um nicht von den Amerikanern zu größerem militärischem Engagement veranlasst zu werden. Überdies zeigten sich die Amerikaner an der britischen Counterinsurgency-Doktrin desinteressiert; sie verlegten sich stattdessen auf den Einsatz überwältigender Feuerkraft und maßen ihren "Erfolg" an Bodycount-Statistiken. Die britisch-amerikanische Kooperation mündete so in beiderseitiger Enttäuschung.

Umgekehrt war die Haltung der Vereinigten Staaten zu den Troubles in Nordirland aus britischer Sicht wenig hilfreich: Während die US-Regierung die sich ab 1969 zuspitzende Lage zunächst eher als Bürgerrechtsbewegung denn als Terrorismus betrachtete, erfreute sich die nordirische Unabhängigkeitsbewegung der Unterstützung amerikanischer Sympathisanten - und verdeckter Waffenlieferungen. Erst die "taktische Hybris", die sich in wahllosen Terroranschlägen der nordirischen IRA in den 1970er Jahren zeigte, führte zum Abebben der externen Unterstützung (156). Während sich das britische Counterinsurgency-Konzept nun verstärkt auf Polizeiarbeit stützte, suchte sich die US-Regierung von dem ungelegenen Thema lange Zeit fernzuhalten - bis das von US-Präsident Bill Clinton vermittelte Karfreitagsabkommen von 1998 dem Konflikt ein vorläufiges Ende bescherte.

Die Kapitel zum Irakkrieg von 2003 und zum Afghanistaneinsatz ab 2001 bilden den Schlusspunkt - und auch den eigentlichen Erzählanlass - von Mumfords Buch. Gerade hier erwies sich die Special Relationship sowohl in diplomatischer wie in militärischer Hinsicht als durchweg asymmetrische Beziehung. Obwohl die britischen Streitkräfte beide Male das zweitstärkste Truppenkontingent stellten, blieb ihr Einsatz quantitativ wie konzeptionell klar im Schatten der USA. Das britische Streben nach einem "leichten Fußabdruck" im Süden Iraks wurde vom US-amerikanischen Inhaber der provisorischen Regierungsgewalt Paul Bremer rüde ausgebremst. Als die Sicherheitslage ab 2006 auch im Süden bedrohlich wurde, zeigten sich die britischen Streitkräfte dem nicht mehr gewachsen. Der daraufhin verstärkte robuste Einsatz von US-Truppen und neuaufgestellten irakischen Verbänden im britischen Verantwortungsbereich dokumentierte den offenkundigen Vertrauensverlust der amerikanischen Akteure in die Briten. Die anfangs von britischen Offizieren selbstbewusst für sich reklamierte Counterinsurgency-Kompetenz wurde durch die Praxis widerlegt; ein Scheitern, das aber auch auf die fortgesetzte amerikanische Übersteuerung ihrer Partner zurückgeführt werden kann. Diese Konstellation prägte auch die Afghanistankampagne: "American frustration at perceived British timidity and complacency and British anger at perceived American overaggression and bluster." (189) Dennoch ergaben sich Lernprozesse. Nun galten die taktischen Verfahren der US-Truppen ihren britischen Kameraden als vorbildlich. Doch wirkten die unterschiedlichen Militärkulturen fort. Die divergierenden Counterinsurgency-Konzepte widerspiegelten und verschärften die Belastungen in den militärischen wie diplomatischen Beziehungen der beiden Nationen. Mumford schließt, wie er begonnen hat: "As a phrase and as an idea, the US-UK special relationship is a Churchillian mythological construct." (199).

Konzise und mit einleuchtenden Belegen zeigt Mumford, dass insbesondere die Counterinsurgency-Konzeptionen und -Kampagnen als Messlatte der Special Relationship dienen können. Zwei Fragen bleiben: Zum einen beschränkt sich die von Mumford ausgewertete Literatur nur auf einen kleinen Ausschnitt der in der Tat unüberschaubar angeschwollenen Publikationsflut. Zum anderen könnte aber auch die Enttäuschung über das faktische Ausbleiben einer Specialness in den Beziehungen zwischen den USA und Großbritannien ein Indiz über das diesbezügliche Anspruchsniveau sein. Denn ähnliche oder noch größere Unterschiede offenbart die Vergleichsstudie zum deutschen und britischen Afghanistaneinsatz von Eric Sangar (Historical Experience. Burden or Bonus in Today's Wars? The British Army and the Bundeswehr in Afghanistan, Freiburg/Br. 2014). Das Thema Counterinsurgency verweist auf größere Aspekte von Politik und Militär. Dies zeigt Mumford überzeugend auf.

Martin Rink