Rezension über:

Trevor Burnard / John Garrigus: The Plantation Machine. Atlantic Capitalism in French Saint-Domingue and British Jamaica (= The Early Modern Americas), Philadelphia, PA: University of Pennsylvania Press 2018, 350 S., 11 s/w-Abb., 3 Kt., ISBN 978-0-8122-2423-8, GBP 20,99
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Rezension von:
Stephan Conermann
Bonn
Redaktionelle Betreuung:
Peter Helmberger
Empfohlene Zitierweise:
Stephan Conermann: Rezension von: Trevor Burnard / John Garrigus: The Plantation Machine. Atlantic Capitalism in French Saint-Domingue and British Jamaica, Philadelphia, PA: University of Pennsylvania Press 2018, in: sehepunkte 20 (2020), Nr. 1 [15.01.2020], URL: https://www.sehepunkte.de
/2020/01/34007.html


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Trevor Burnard / John Garrigus: The Plantation Machine

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Eigentlich ist es eine gute Idee, wenn zwei Experten sich einmal zusammensetzen und gemeinsam ein Buch schreiben. In der Regel scheitern solche Projekte aus vielerlei Gründen. Umso erfreulicher, dass es Trevor Burnard und John Garrigus gelungen ist, ihre langjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Sklavereiforschung [1] miteinander zu teilen und zu einer Monographie zusammenzufügen.

Im Mittelpunkt stehen die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen auf Jamaika und Saint-Domingue in der Zeit von 1740 und 1788. Beide Inseln gehörten zu Europas erfolgreichsten und profitabelsten Plantagengesellschaften. Der Erfolg der Plantagenwirtschaft war dabei stets abhängig von einem schwunghaften atlantischen Sklavenhandel. Letzten Endes wurden Sklaven aus Afrika in der Karibik (und anderswo in den Amerikas) gezwungen, Luxusgüter, die ursprünglich aus Asien stammten, für den europäischen Markt zu produzieren. Dabei kamen lokale Ressourcen kaum zum Einsatz. Der Erfolg hing von Gütern ab, die, wie erwähnt, von außerhalb kamen: Kapital aus Europa und Arbeit aus Afrika. Die Karibik verkörpert dabei mehr als alle anderen Regionen die komplexen und - für die kollektive europäische Erinnerung - hochgradig problematischen Zusammenhänge des frühmodernen Kolonialismus. Bekanntlich wurde im Zuge der europäischen Inbesitznahme die indigene Bevölkerung fast vollständig vernichtet. Als Ersatz für die nun fehlenden Arbeitskräfte importierte man daraufhin Sklaven aus Afrika. Darüber hinaus holzten die Kolonialherren große Teile des Urwalds ab, um Platz für Zuckerrohr-, Baumwoll- und Kaffeeplantagen zu schaffen. 1746 waren auf Jamaika 455 Zuckerplantagen in Betrieb, auf Saint-Domingue im Jahr 1753 sogar 556.

Burnard und Garrigus streben, wie sie sagen, in ihrem Buch keinen detaillierten Vergleich an, sondern schreiben eher eine Parallelgeschichte. Dabei kommen jedoch dennoch Unterschiede und Gemeinsamkeiten des britischen und französischen Kolonialsystems zum Vorschein. Neben der voneinander verschiedenen Geographie sowie der unterschiedlichen Siedlungs- und Migrationsstruktur waren beide Inseln etwa auch in unterschiedliche übergeordnete politische Kolonialsysteme eingebettet. [2] Jamaika profitierte von der Stärke der englischen Handelsschifffahrt. Aufgrund der Nähe zum britisch-nordamerikanischen Festland konnten ihre Kolonisten legal Lebensmittel, Holz, Tiere, Fisch und andere Vorräte aus dem Norden gegen tropische Waren eintauschen. Im Jahr 1733 verbot England seinen westindischen Kolonisten, Zucker auf ihren Plantagen zu raffinieren, um die Profite der Zuckerfabriken in den Großstädten zu schützen. Dies bedeutete, dass Pflanzer nur Muscovado exportieren konnten. Dieser unraffinierte braune Zucker war pro Pfund weit weniger wert als die verfeinerten weißen und goldenen Sorten. Das englische Monopolgesetz verhinderte jedoch, dass Großstadtkonsumenten billigere Süßungsmittel aus dem Ausland kauften. Auf diese Weise garantierte der Merkantilismus in Großbritannien einen höheren Preis für westindischen Zucker als auf kontinentaleuropäischen Märkten.

Die Pflanzer auf Saint-Domingue mussten ihre Ware hingegen nach Frankreich verkaufen, wo die Hälfte aller Kolonialprodukte in andere kontinentale Häfen, insbesondere in die Nordsee, exportiert wurde. Das französische Kolonialmonopol schützte die Zuckerpreise nicht, aber um 1750 wurde es den Kolonisten erlaubt, Muskovado zu einem goldenen Zucker zu verfeinern. Französische Pflanzer beklagten, dass sie vom französischen Handel schlecht bedient würden. Die Schwierigkeit, zwischen Französisch-Kanada und den Antillen hin und her zu reisen, führte dazu, dass französische Kolonisten zumeist Proviant aus Frankreich importieren mussten, was weitaus teurer war, als wenn es legal von Häfen wie Philadelphia oder New York hätte kommen können. Der Schmuggel war in Saint-Domingue weit verbreitet. Hier verkauften Kolonisten Zucker, aber auch Baumwolle und Indigo von englischen Kapitänen aus Jamaika nach Nordamerika. Die schwache Versorgung mit afrikanischen Sklaven von französischen Sklavenhändlern war auch für Plantagenbesitzer ein weiteres Problem.

Die Zuckerrohrplantagenwirtschaft auf den beiden Inseln hatte vor allem eins gemeinsam: es handelte sich um "kombinierte" Plantage, auf der nicht nur Zuckerrohr angebaut und geerntet, sondern das Zuckerrohr auch in Rohrzucker umgewandelt wurde. Dazu benötigte man eine Mühle und Siedehäuser. Hunderttausende der abgeschnittenen Zuckerrohrhalme mussten ein, zwei Tage nach der Ernte weiterverarbeitet werden. In den Mühlen wurde der kostbare Saft aus dem Zuckerrohr herausgepresst. Danach erhitzte man den Zuckersaft bis zu dem Punkt, an dem Zuckerkristalle aus der wässrigen Lösung aufstiegen. Auf einer Plantage, die erfolgreich die Ernte dem Tempo der Mühle und der Siedehäuser anzupassen imstande war, konnte sehr viel Zuckerrohr vor dem Verrotten auf den Feldern und den Mühlhöfen bewahrt werden. Das Pflanzen und Ernten sowie die Verarbeitung des Zuckerrohres war dabei sehr viel schwieriger als bei jeder anderen Nahrungspflanze. Je besser die Kenntnisse über die Rohmaterialien, die Herausforderungen der Verarbeitung und der Organisation der Arbeitsprozesse waren, desto größer war am Ende die Menge des Zuckers, den man verkaufen konnte. Zur Optimierung der Sklavenarbeit führte man auf Jamaika und Saint-Domingue das sogenannte "Kolonnensystem" (gang system) ein. Sklaven, die im Kolonnensystem arbeiteten, wurden in kleinere oder größere Gruppen eingeteilt und mussten pro Tag eine bestimmte Anzahl von Stunden arbeiten, wobei sie von Aufsehern oder Vorarbeitern überwacht und angetrieben wurden. Das Kolonnensystem erlaubte den Pflanzern, die strengen Zeitvorgaben, die beim Anbau, bei der Ernte und der Verarbeitung des Zuckerrohrs in den Mühlen und Siedehäusern notwendig waren, einzuhalten.

Damit kommen wir zu den zentralen Thesen des Gemeinschaftswerkes: "At the heart of this book is the argument that the Caribbean sugar plantation of the eighteenth century was an industrial, or at least proto-industrial, operation." (3) Burnard und Garrigus können sehr überzeugend zeigen, dass die Zuckerplantagen auf Jamaika und Saints-Domingue zu den ersten europäischen Institutionen gehörten, die eine industrieähnliche Produktionsweise einführten. Hunderte von Arbeitern wurden wie in einer Fabrik unter einem strikten Zeitregiment mit einer Reihe komplexer und voneinander abhängigen Aufgaben betreut. Aus diesem Grund trägt das Buch nicht zu Unrecht den Titel "The Plantation Machine". Von entscheidender Bedeutung war, so Burnard und Garrigus, dass die Plantagenbesitzer ihre Sklaven nicht allein als Arbeiter, sondern als hochgradig flexible Kapitalinvestition ansahen. Damit stützen die beiden Autoren die von vielen angezweifelte Argumentation, dass nicht nur die europäische Wirtschaft, die die europäischen Mächte am Ende des 18. Jahrhunderts in die Lage versetzte, den Weltmarkt zu kontrollieren, auf den durch das Sklavereisystem erzeugten Kapital- und Warenflüssen beruhte, sondern auch die Industrielle Revolution hier ihre Vorbilder hatte. Die Plantage war auf lange Sicht ein großer Erfolg, denn sie war in Bezug auf das Arbeits- und Ressourcenmanagement sowie den Umfang der Kapitalinvestitionen und -ausgaben ein Vorläufer der Industriefabrik.

Ein weiteres interessantes Ergebnis der Untersuchung kommt - für mich zumindest - unerwartet, ist aber umso bemerkenswerter. In beiden Inselgesellschaften entwickelte sich nach der Niederlage Frankreichs im Siebenjährigen Krieg und dem von einem Sklaven namens Tacky angeführten Aufstand auf Jamaika im Jahre 1760 ein rassistisches Bewusstsein, das, Burnard und Garrius zufolge, durchaus als Vorläufer des biologischen Rassismus' des 19. Jahrhunderts angesehen werden kann. Die Überlegenheit der "Weißen" aufgrund ihres "Weißseins" wurde im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts auf den beiden Inseln zu einem mächtigen Diskurs. Jamaika und Saint-Domingue verwandelten sich von Gemeinschaften, die in ihren Hierarchien ein gewisses Maß an sozialer Mobilität aufwiesen, in Gesellschaften mit einer "cast-like racial rigidity" (18). Die Hautfarbe rückte neben Reichtum und materiellem Erfolg in den Vordergrund, wenn es um die Frage des sozialen Ansehens von Personen im öffentlichen Leben ging.

Alles in allem erwies sich Jamaikas Reichtum als vorteilhaft für Großbritannien. Er steigerte die dortige Produktion, beschleunigte die Urbanisierung und gab der mächtigen Handelsklasse Großbritanniens wichtige Impulse. Gleichzeitig trug der Wohlstand von Saint-Domingue dazu bei, den französischen Handelskapitalismus im 18. Jahrhundert in Richtung Industrialismus zu bewegen, wobei die Amerikanische und die Französische Revolution diesen Prozess dann verzögerten. Sowohl Jamaika wie auch Saint-Domingue blühten in den 25 Jahren nach dem Sieg Großbritanniens im Siebenjährigen Krieg auf.

Trevor Burnard und John Garrigus haben zusammen ein sehr bemerkenswertes Werk über die Parallelgeschichte der Sklavengesellschaften auf den beiden Karibikinseln im 18. Jahrhundert verfasst. Die gebündelten Kenntnisse der beiden Experten ermöglichen eine plausible und sehr lesenswerte Beschreibung der Plantagenmaschine mit ihren proto-industriellen und proto-rassistischen Zügen.


Anmerkungen:

[1] Trevor Burnard: Mastery, Tyranny, and Desire: Thomas Thistlewood and His Slaves in the Anglo-Jamaican World, Chapel Hill 2004; John D. Garrigus: Before Haiti. Race and Citizenship in French Saint-Domingue, 2. Aufl. New York 2011.

[2] Siehe zu den folgenden beiden Abschnitten im Buch, 16.

Stephan Conermann