Rezension über:

Francesca Pucci Donati (a cura di): Luoghi dell'ospitalità in Italia nel Medioevo. Sistemi e servizi fra città e contado (= I libri di Viella; 516), Roma: Viella 2024, 296 S., ISBN 979-12-5469-749-8, EUR 32,00
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Thomas Frank
Università degli Studi di Pavia
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Thomas Frank: Rezension von: Francesca Pucci Donati (a cura di): Luoghi dell'ospitalità in Italia nel Medioevo. Sistemi e servizi fra città e contado, Roma: Viella 2024, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 9 [15.09.2025], URL: https://www.sehepunkte.de
/2025/09/39991.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Francesca Pucci Donati (a cura di): Luoghi dell'ospitalità in Italia nel Medioevo

Textgröße: A A A

Das auf eine Tagung von 2023 zurückgehende Buch über Orte der "ospitalità" handelt weniger von Hospitälern als von Häusern, in denen Reisende für gastliche Aufnahme bezahlen mussten: von Gaststätten, Tavernen, Hotels und deren Personal. Mehr als eine Generation nach den Pionierarbeiten der 1960er bis 1980er Jahre, etwa von Hans Conrad Peyer [1], ergreift die Herausgeberin, die 2018 eine Monografie zu den Gasthäusern in und um Bologna vorgelegt hat [2], die Initiative, das Thema in insgesamt zwölf Fallstudien auf breiterer Grundlage neu zu beleuchten. Der geografische Horizont deckt Nord- und Zentralitalien, der chronologische das 13.-15. Jahrhundert ab; nur der erste Beitrag (Mattia Cantatore, Nicola Mancassola, Paola Galetti, 15-53), der im Rahmen der früh- und hochmittelalterlichen Topografie, Agrarwirtschaft und politischen Verfassung Piacenzas auch auf die dortigen Einrichtungen karitativer und bezahlter hospitalitas eingeht, liegt zeitlich früher.

Während zu Piacenza auch archäologische Forschungen vorliegen, stützen die anderen Studien sich überwiegend auf Schriftquellen verschiedenster Art. In manchen, aber nicht in allen Beiträgen wird genau unterschieden zwischen Gaststätten, in denen man nur trinken und essen konnte (taverne), und Hotels mit Übernachtungsmöglichkeit (alberghi; die Termini osteria und locanda können sich auf beide Funktionen beziehen). Bruno Figliuolo (55-69) gibt an Beispielen aus Cremona, Venedig und Florenz und mit Hilfe von literarischen, vor allem aber normativen und dokumentarischen Quellen Einblick in die vielfältigen wirtschaftlichen und sozialen Funktionen von Gaststätten.

Ein kommunales Spezialregister ermöglicht es Elisabetta Scarton (71-89), die Kapazitäten der Mittelstadt Udine beim Durchzug Kaiser Karls IV. 1368 und 1369 zu eruieren: In diesem Ausnahmefall standen 1000 Betten und ausreichend Stallraum bereit, weit mehr, als die dreizehn osterie der Stadt normalerweise hätten bieten können.

Die Herausgeberin ergänzt ihre Studien zu Bologna um eine Untersuchung (91-112) zu den osterie im Bergland südlich der Stadt, wofür sie die Registerüberlieferung der lokalen Verwalter (1370-1400) und die kommunalen Steuerschätzungen auswertet. Ebenfalls mit Bologna, aber mit locande, die von Wirtsleuten fremder Herkunft in der Stadt betrieben wurden, befasst sich Aldo G. di Bari (113-127). Da Bologna den Wirten keine eigene Zunft (mit Matrikel) zugestand, muss man deren Namen in Notarurkunden und Prozessakten suchen: Mehrheitlich handelte es sich um Zuwanderer, von diesen kamen die meisten aus Florenz und Deutschland.

In die Toskana, nämlich nach Prato, führt der interessante Beitrag von Paola Pinelli (129-157) zu der Wirtsfamilie Cambi. Von ihr haben sich mehrere Rechnungsbücher (1368-1450) erhalten, mit deren Hilfe sich die Profite des einzigen größeren Hotels in Prato, die sonstigen wirtschaftlichen Aktivitäten der Betreiberfamilie (Wein- und Pferdehandel, Kreditgeschäfte) und ihr sozialer Horizont rekonstruieren lassen.

Vergleichbar ist der Ansatz von Tommaso Vidal (191-212), der ein zeitweise von einer Frau geführtes albergo in Udine untersucht. Ein im Archiv des Udineser Bruderschaftshospitals S. Maria della Misericordia erhaltenes Rechnungsbuch (1435-1471) erlaubt es nicht nur, die topografische Lage des Hauses zu bestimmen, sondern auch seine Einbindung in den Lebensmittelmarkt und die Strategien der Wirtin beim Ankauf von Wein zu beleuchten.

Dazwischen wurden zwei sehr unterschiedlich gebaute Studien platziert: Beatrice Del Bo (159-175) geht der - vor allem religiös motivierten - Kritik an Wirtshäusern und ihren Betreibern nach. Neben Predigten und einer bunten Auswahl anderer Schriftquellen wertet sie auch Bilder aus, fügt jedoch keine Abbildungen bei. Ihre These, dass der Klerus den Wirtsberuf seit dem 13. Jahrhundert mit Häresie gleichsetzte, scheint ohne gründlichere Beweisführung allzu kühn.

Zum Genre 'lokale Bestandsaufnahme' kehrt Daniele Lombardi (177-190) mit seinem Überblick über die Gaststätten in Rom zurück. Wenn man die offiziell ausgeschilderten und die informalen locande zusammenrechnet, ergibt sich die hohe Zahl von 500-700 Gasthäusern. Roms besondere ökonomische Struktur lockte Investoren an und ließ regelrechte Hotelketten entstehen.

Die lokal- oder regionalgeschichtliche Perspektive wird von Ermanno Orlando und Enrico Basso fortgeführt. Im wasserreichen Veneto (Orlando, 213-229) reisen hieß Land- mit Wasserstraßen kombinieren. Unterkünfte entstanden an den Knotenpunkten dieses integrierten Systems. Sie dienten sowohl den Reisenden als auch dem Kontrollbedarf der Obrigkeiten, denn dort wurden Zölle und Steuern erhoben und die Sicherheit der Wege organisiert. Dass karitative und profitorientierte hospitalitas Hand in Hand gehen konnten, zeigt das Bruderschaftshospital S. Maria dei Battuti in Treviso. Es bot in der Stadt gratis Dienstleistungen an, für die man auf dem Land oft bezahlen musste. Nach Ligurien und vor allem nach Genua führt die Studie von Basso (231-251), der mit detaillierter Quellenkenntnis zahlreiche Belege für Wirtshäuser und Weinhandel vom frühen 13. bis zum 15. Jahrhundert zusammenträgt.

Den Abschluss bildet ein Beitrag von Gabriella Piccinni (253-271) zur Gastlichkeit in spätmittelalterlichen Badeorten mit Schwerpunkt Toskana. Bei Thermalquellen entstanden in aller Regel auch Gaststätten und Hotels. Sie sind zudem ein beliebter Schauplatz spätmittelalterlicher Novellen, weshalb Piccinni systematisch literarische Zeugnisse auswertet (insbesondere die Novellen von Giovanni Sercambi, Franco Sacchetti und dem als "Gentile Sermini" bekannten, aber bisher nicht identifizierten Sieneser Autor). Allerdings wäre, wie zwei am Ende vorgestellte Beispiele zum Unterhaltungsprogramm in den Bädern zeigen, eine genauere Differenzierung zwischen fiktionalen und nicht-fiktionalen Texten sinnvoll gewesen: Eine Novelle des Ps.-Gentile Sermini hat nicht denselben Quellenwert wie der Italien-Reisebericht des Michel de Montaigne.

Der Band verdeutlicht, was heute mit (oft unedierten) Quellen, an die vor 50 Jahren noch niemand dachte, Neues zum mittelalterlichen Gastgewerbe gesagt werden kann. "Verdeutlichen" heißt freilich nicht unbedingt veranschaulichen: Abgesehen von den fehlenden Bildern bei Del Bo wären vor allem mehr Karten von Nutzen gewesen (dringend bei Orlando; nur Pucci Donati, Vidal und die Autoren des Beitrags zu Piacenza haben an Karten gedacht). Das hätte der Herausgeberin ebenso auffallen sollen wie die fehlende Auflösung der Archivkürzel bei Basso. Stärker ins Gewicht fällt aber der Erkenntnisgewinn, den die Mehrheit der Beiträge bietet. Neben der Präzisierung von Zahl und Lage von Gasthäusern in einzelnen Städten seien folgende Punkte genannt: erstens, wie in der Einleitung (8) gefordert, die enge Verzahnung der locande mit Straßen, Marktgeschehen und obrigkeitlicher Kontrolle, womit zugleich ihre ambivalente Position zwischen privater Rechtsform und öffentlichem Interesse ins Blickfeld rückt. Zweitens tritt mehrfach die Rolle der Wirtsleute als kultureller, politischer und ökonomischer Mittler hervor - 'Figuren des Dritten', die bisher noch wenig im Fokus (literatur-)historischer Forschung standen. Drittens wird deutlich, dass bezahlte und karitative hospitalitas Hand in Hand gingen: nicht immer und überall, aber doch in einem Maß, das weitere Erforschung lohnen könnte.


Anmerkungen:

[1] Hans Conrad Peyer: Von der Gastfreundschaft zum Gasthaus. Studien zur Gastlichkeit im Mittelalter, Hannover 1987 (ital. Ausgabe Bari 1990).

[2] Francesca Pucci Donati: Luoghi e mestieri dell'ospitalità nel Medioevo. Alberghi, taverne e osterie a Bologna tra Due e Quattrocento, Spoleto 2018.

Thomas Frank