Rezension über:

Daniel Bernsen / Daniel Behnke: Geschichte in Spielen - Was steckt dahinter. 20 Unterrichtsideen zum historischen Lernen anhand bekannter Brett- und Computerspiele, Augsburg: Auer 2022, 95 S., ISBN 978-3-403-08545-4, EUR 23,99
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Rezension von:
Lucas Haasis
Institut für Geschichte, Carl von Ossietzky Universität, Oldenburg
Redaktionelle Betreuung:
Christian Kuchler
Empfohlene Zitierweise:
Lucas Haasis: Rezension von: Daniel Bernsen / Daniel Behnke: Geschichte in Spielen - Was steckt dahinter. 20 Unterrichtsideen zum historischen Lernen anhand bekannter Brett- und Computerspiele, Augsburg: Auer 2022, in: sehepunkte 24 (2024), Nr. 2 [15.02.2024], URL: https://www.sehepunkte.de
/2024/02/38962.html


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Daniel Bernsen / Daniel Behnke: Geschichte in Spielen - Was steckt dahinter

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Der Einsatz von Spielen in der Schule ist in Öffentlichkeit und Bildungsinstitutionen seit Jahren als Thema ein Dauerbrenner, was eine erfreuliche und zeitgemäße Entwicklung ist. Gerade Spiele mit historischem Setting erfreuen sich einer großen Beliebtheit. [1] Dennoch haben es Spiele im deutschen Schulsystem noch immer nicht in den festen Kanon der Lernmedien geschafft. Im Geschichtsunterricht spielen sie weiterhin kaum eine Rolle und das, obwohl der Nutzen des Einsatzes von Spielen im Unterricht von der Forschung mittlerweile hinlänglich belegt ist. Monografien, Studien, Handreichungen oder Datenbanken zeugen von der Relevanz von Spielen für die historische und politische Bildung. [2] Woran liegt es also, dass Spiele noch immer - weder in digitaler noch in analoger Form - keinen flächendeckenden Einzug in den Unterricht finden? Die häufigste Antwort von Lehrkräften auf diese Frage lautet: Es hapere an guten Praxisbeispielen und niedrigschwelligen Einstiegshilfen, um überhaupt erst die Bedingung dafür zu schaffen, dass sie sich an den Umgang mit dem neuen Medium heranwagen und sich für den Unterrichtseinsatz kompetent genug fühlen. [3] Wie komme ich an die Spiele? Muss ich die Spiele selbst gespielt haben? Zu welcher Epoche gibt es Spiele? Welche Ansätze können gewählt werden? Kann ein Spiel sinnvoll in nur einer Schulstunde behandelt werden? Was benötige ich an Technik? Welche Arbeitsaufträge kann ich erteilen?

Die Publikation von Daniel Behnke und Daniel Bernsen schafft hier Abhilfe. Sie bietet für den Geschichtsunterricht eine gelungene und zugänglich geschriebene praktische Einführung und Handreichung. Das Heft präsentiert 20 erprobte Beispiele, ergänzt um digitales Material. Die beiden Autoren stammen aus der Praxis, Bernsen unterrichtet Geschichte, Französisch und Spanisch, Behnke war lange Zeit Lehrer und entwickelt heute Spiele als Educational Designer. Gemeinsam haben sie den Podcast Das spielende Klassenzimmer ins Leben gerufen. [4] Diese Praxisnähe merkt man dem Heft an - es wurde nicht im Elfenbeinturm verfasst, sondern enthält Beispiele, die alltagsnah und lehrreich sind und Spaß machen. Gleichzeitig bietet die Publikation im ersten Teil einen Forschungsüberblick für diejenigen, die sich eingehender informieren möchten (5-11). Die Unterrichtsideen erstrecken sich - am Lehrplan orientiert - auf verschiedene Epochen von der Vor- und Frühgeschichte über die Antike, Mittelalter und Neuzeit bis hin zur Zeitgeschichte. Lesenswert sind auch die allgemeinen Ideen am Ende des Hefts, die eine Art Praxisleitfaden inklusive eines Analyse- und Beobachtungsrasters zu Spielen anbieten (90-92). In der Handreichung werden zudem unterschiedliche Tools und Spielformate vorgestellt, die zur Inspiration und als Werkzeugkasten dienen sollen, wie Twine (17-19), einem niedrigschwelligen Tool zur Spielentwicklung, oder Escape Games als (Edu)Breakouts, in denen es um die Lösung von Rätseln geht (21-24). In den Beispielen überwiegt der Praxisbezug. "Benötigte Materialien", "Ablauf und Methode" "Lehrplanbezug", "Dauer", "Kompetenzen" sind die zentralen Kriterien, die in den aufbereiteten Unterrichtsmaterialien im Vordergrund stehen und diese strukturieren. Alle vertretenen Beispiele zeigen, worauf es beim Einsatz von Spielen ankommt und was deren Mehrwert für den Geschichtsunterricht darstellt: spielerisch gemeinsam Geschichte zu entdecken, darüber zu neuen Fragen zu gelangen und über die gemeinsame, geleitete Lernerfahrung immer auch Medienkompetenz zu schulen. Interaktion, Probehandeln und die Selbstreflexion über die Gemachtheit von Geschichte sind wesentliche Charakteristika, die die Arbeit mit Spielen auszeichnen. Der Fokus der Beispiele liegt dabei eindeutig auf der Schulung von Medienkompetenz bezogen auf die Spiele oder, noch konkreter, von Gaming Literacy, dem kompetenten, kritischen und sachdienlichen Umgang mit Spielen. Den Schwerpunkt in vielen Arbeitsaufträgen bildet darauf aufbauend die Frage nach dem Konstruktionscharakter von Geschichte: Wie kann man "Geschichte medial darstellen" (25)? Das eigentlich Spielerische, das aktive Spielen, tritt dabei zuweilen etwas in den Hintergrund, was sicherlich auch der Umsetzbarkeit im Unterricht geschuldet ist. Fragen wie "Wird etwas Mittelalterliches im Spiel gezeigt?" "Tut man etwas Mittelalterliches im Spiel?" (44/47), "Was ist an dem Spiel 'historisch'?" (56) als auch die Arbeit mit Trailern oder Coverbildern (13-15) schulen das kritische Bewusstsein der Schüler*innen. Kombiniert mit dem aktiven Spielen ergäben sich hier weitere Möglichkeiten, den Erkenntnisgewinn durch Spiele als sinnvolle Ergänzung zu den bereits etablierten Lernmedien herauszustellen. Gelungene Beispiele mit diesem praktischen Fokus finden sich im Heft zum Beispiel zu Spielen der alten Römer (29-31), die von den Schüler*innen selbst getestet und beforscht werden, zu Minetest, durch das Dioramen zur Antike erstellt werden (25-28), vor allem aber zu "Through the Darkest of Times", welches dasjenige Beispiel ist, das am deutlichsten den Mehrwert der Arbeit mit Spielen herausstellt. Hier werden - ganz im Sinne des Spiels - geheime Beobachtungsaufträge (76) zum Spiel verteilt, die die eigentliche Lernerfahrung mit der der Spielerfahrung kombiniert und dadurch zu Diskussions- und Reflexionsanlässen bei den Schüler*innen führt. Die Jugendlichen nehmen aktiv etwas aus dem Unterricht mit nach Hause. Die Wirkung dieses unmittelbaren medialen Lebensweltbezugs, das heißt, in der Schule über etwas zu sprechen, das im Alltag allgegenwärtig ist, im Unterricht aber überraschenderweise nur selten auftaucht, ist nicht zu unterschätzen. Kinder spielen; auf dem Computer, der Konsole, dem iPad oder Tablet. Auch Brettspiele sind bekannt, stehen aber in der Beliebtheit etwas hinten an. Also sollten wir Spiele auch im Unterricht einsetzen und die Schüler*innen darüber in kompetentem Rahmen diskutieren lassen. Das wird nicht immer ohne Stolpern passieren. Die Autoren verweisen in den Beispielen stets auf "Mögliche Fallstricke". So ist der Einsatz von Spielen teilweise voraussetzungsvoll. Ich habe die Unterrichtsideen aus dem Heft mit Studierenden und Lehrkräften getestet - intensiver das Beispiel zu Anno 1800 (Ubisoft 2019) mit der Frage nach der fehlenden Darstellung von Sklaverei (63-67). Die Beispiele zu Stone Age (13-16) und Through the Darkest of Times (75-78) haben wir in zwei Integrativen Gesamtschulen genutzt. Die Autoren versprechen dabei nicht zu viel, wenn sie darauf verweisen, dass sich bei den meisten der Beispiele "in der Regel keine größeren Schwierigkeiten" einstellen (34, 64) - wobei dieser Hinweis auch etwas repetitiv erscheint, wahrscheinlich um die Schwelle zum Unterrichtseinsatz der Spiele noch weiter zu senken. Die Praxisbeispiele haben in jedem Falle einwandfrei funktioniert und letztlich ist es genau das, woran sich eine Handreichung messen lassen muss und dabei hoffentlich mehr Nachahmer findet. In aller Kürze also: das Heft ist eine Lektüreempfehlung, die zum Ausprobieren einlädt!


Anmerkungen:

[1] Angela Schwarz: Geschichte in digitalen Spielen. Populäre Bilder und historisches Lernen, Stuttgart 2022.

[2] Eine aktuelle Auswahl: Alexander Preisinger: Digitale Spiele für die historisch-politische Sinnbildung, Schwalbach am Taunus 2021; Stiftung Digitale Spielekultur: Handbuch: Spielen. Lernen. Wissen. Einsatzmöglichkeiten von Games in der Bildung, Berlin 2022; Patrick Lenz / Nico Nolden: "Geschichte spielen?" Didaktische Einsatzmöglichkeiten digitaler Spiele mit historischen Themen im Unterricht. Handreichung für Lehrer*innen und Multiplikator*innen, herausgegeben von der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 2022; Markus Bernhardt: Das Spiel im Geschichtsunterricht, Frankfurt am Main 2018.

Datenbanken: Games und Erinnerungskultur: Stiftung Digitale Spielekultur: https://www.stiftung-digitale-spielekultur.de/games-erinnerungskultur; Datenbank Spieleratgeber: https://www.spieleratgeber-nrw.de. Für einen ersten guten Überblick: https://www.bpb.de/themen/kultur/digitale-spiele.

[3] Feedback aus Fortbildungen: https://uol.de/villa-geistreich/projekte-geschichte/digitale-spiele-in-geschichtswissenschaft-und-unterricht.

[4] Podcast: https://das-spielende-klassenzimmer.de.

Lucas Haasis